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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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deponiert zu haben. Ich beendete die Vernehmung und fuhr mit einem Team der Spurensicherung zu seinem Haus in Lapa.
    Senhor Rodrigues und sein Anwalt stießen dort zu uns. Der Anwalt studierte den Durchsuchungsbefehl und setzte sich mit seinem Mandanten ins Wohnzimmer. Er vermied es bereits, ihm in die Augen zu sehen, als wäre sein Vertrauen schwer enttäuscht worden. Ich verschaffte mir einen kurzen Überblick und verkündete, dass ich den Kleiderschrank und das Arbeitszimmer des Verdächtigen persönlich übernehmen wollte. Ich trug den vier Männern auf, das restliche Haus, die Doppelgarage und den Garten zu durchsuchen. Carlos und ich begannen mit dem Mercedes.
    Er war gereinigt worden, und zwar gründlich. Der Innenraum sah aus wie neu und roch auch so. Also beauftragte ich Carlos, den Namen der Reinigungsfirma in Erfahrung zu bringen und nicht nur mit dem Geschäftsführer, sondern auch mit den Leuten zu reden, die den Wagen tatsächlich gesäubert hatten. Ich begann mit den Vordersitzen und fand unter dem Vordersitz einen ordentlich gefalteten weißen Slip der Marke Sloggi, den ich in eine Plastiktüte steckte. Als Carlos aus dem Haus kam, sagte ich ihm, er solle die Person, die den Slip entdeckt hatte, zur Befragung mitbringen. Ansonsten fand ich in dem Wagen nichts von Belang.
    Ich führte Senhor Rodrigues zu seinem Kleiderschrank und forderte ihn auf, die Kleider herauszulegen, die er am Nachmittag des 12. Juni getragen hatte. Er wies auf einen Blazer, eine graue Hose und die Krawatte, die Olivia für ihn gemacht hatte. Hose und Blazer waren gereinigt worden, im Gegensatz zu der Krawatte, auf deren Rückseite ich einen kleinen rotbraunen Fleck entdeckte. Ich steckte auch sie für die Laboruntersuchung in eine Plastiktüte.
    Im Arbeitszimmer fanden wir hinter einer Truhe aus dem 18. Jahrhundert einen Wandschrank, in dem fünfzehn Videobänder und zwei Weinkisten mit Pornoheften untergebracht waren, dahinter lagen, ordentlich gefaltet, ein weißes T-Shirt und ein hellblauer Minirock mit gelbem Karomuster auf einem Paar klobigen, mit Strass besetzten Schuhen. Kleidung und Schuhe wanderten ins Labor, der übrige Inhalt des Schrankes zur Polícia Judiciária.
    Der Mann der Autoreinigungsfirma, der den Slip gefunden hatte, gab an, er sei unsicher gewesen, was er damit anfangen sollte. Er hatte den Slip neben dem Sitz gefunden und erst gedacht, dass er Senhor Rodrigues’ Tochter gehörte, weshalb er ihn einfach liegen lassen wollte. Doch dann hatte er gedacht, dass das zu Peinlichkeiten führen könnte, zumal Senhor Rodrigues den Wagen am Montagmorgen persönlich zur Reinigung gebracht hatte, weshalb er den Slip unter den Sitz geschoben und beschlossen hatte, sich nicht weiter um anderer Leute Angelegenheiten zu kümmern.
    Um elf Uhr dreißig wurde Miguel da Costa Rodrigues unter dem dringenden Verdacht festgenommen, Catarina Oliveira ermordet zu haben. Als er aufgefordert wurde, sich zu entkleiden, wurden auf seiner Brust zwei große Blutergüsse entdeckt. Nachdem die Fotos gemacht waren, wurde er in eine Zelle gebracht.

40
    Montag, 23. November 199–,
    Palácio da Justiça,
    Rua Marquês da Fronteira, Lissabon
     
    Die Jagdlust der hungrigen Pressemeute war grausam gewesen. Der Tejo kochte über mit dem Blut der Vergangenheit. Die wahre Identität von Miguel da Costa Rodrigues erschütterte die Nation: Manuel Abrantes, der gefürchtete inspector de polícia der PIDE, der ein Netzwerk von hunderten von bufos , Informanten, unterhalten hatte, der in das Leben tausender gewöhnlicher Menschen eingedrungen und direkt verantwortlich war für das Leiden zahlreicher Opfer im Gefängnis von Caxias. Aktuelle Fernsehmagazine und Talkshows machten wochenlang Quote mit Menschen, die sich an Unterdrückung, Verfolgung und Folter erinnerten – die Bratpfannen von Tarrafal auf den Kapverdischen Inseln, die Stierpferche von Aljube, die flutbaren Verliese im Fort von Caxias. Doch dieser Aspekt war nur von kurzzeitigem Interesse, und als die Seifenopern ihnen wieder den Rang abliefen, erkannten die Programmmacher ihren Fehler. Die Menschen wollten keine Geschichte – sie wollten persönliche Geschichten.
    Rasch fand man Jorge Raposo in seinem Puff und rekonstruierte mit ihm in einer halbstündigen Sondersendung, wie die PIDE General Machedos Gefolgschaft infiltriert, ihn auf dem Friedhof von Badajoz in eine Falle gelockt, den Sekretär des Generals getötet und wie Manuel Abrantes den General schließlich persönlich

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