Tod in Lissabon
Analverkehr mit Catarina Oliveira gehabt hatte. Das war der Punkt, der den Fall schließlich entschied. Es gab keine Mordwaffe, weil der Mörder sie eigenhändig erwürgt hatte. Er war nicht dabei beobachtet worden, wie er das Mädchen entkleidet hatte, doch am Ende hatte man ihre Kleidung in seinem Besitz gefunden. Niemand hatte gesehen, wie er die Leiche am Strand deponiert hatte, doch es stand außer Frage, dass er in Paço de Arcos gewesen und erst nach Einbruch der Dunkelheit von dort aufgebrochen war, sodass er durchaus die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Und der vermeintlich gute Ruf des Angeklagten wurde ebenfalls komplett demontiert.
Am Montag, dem 23. November, um sechzehn Uhr verkündete der Richter sein Urteil. Miguel da Costa Rodrigues alias Manuel Abrantes wurde des Mordes für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Ich wurde vom Minister für Innere Verwaltung in den Jockey-Klub eingeladen, um mit einigen Redakteuren, Reportern, TV-Produzenten, Moderatoren und hochrangigen Polizeibeamten zu feiern. Als ich dankend ablehnte, schickten sie mir Narciso auf den Hals. In diesem Moment begriff ich, warum er mein Boss war. Das war sein Gebiet, und ich war nicht mehr als eine streunende Katze. Auf dem Champagnerempfang wurde ein Foto von mir und Luísa gemacht, und nach einer halben Stunde ließ Narciso mich wissen, dass ich gehen könnte.
Wir fuhren nach Paço de Arcos. Olivia hatte schon gegessen und hockte bei meiner Schwester vor dem Fernseher. Ich ging mit Luísa ins A Bandeira Vermelha , wo uns ein gut gelaunter António das Tagesgericht servierte, eines seiner Spezialrezepte aus dem Alentejo – ensopado de borrego – ein Lammragout aus Lammnacken und -brust, das so lange gekocht wird, bis das Fleisch von den Knochen fällt. Keiner kochte es so wie er. Er öffnete eine Flasche roten 94er Borba Reserva und ließ uns allein.
Ich nippte an dem Wein und knabberte Oliven und Käse. Mir war nicht mal nach Reden zumute. Luísa war sauer, weil ich sie von der Party weggelockt hatte. Für sie war es eine Gelegenheit, in ihrer neuen Rolle als furchtlose Verlegerin Kontakte zu knüpfen, und sie wäre lieber geblieben.
»Irgendwann musst du mir sagen, was das Problem ist«, meinte sie und zündete sich rechtzeitig zur Ankunft des Hauptgerichts eine Zigarette an.
»Ich bin deprimiert.«
»Ist das eine postprozessuale Polizistendepression so wie die postnatale Depression bei Frauen?«
»Ich glaube nicht.«
»Vielleicht bist du deprimiert, weil du nach all dem Trubel wieder in dein eigentliches Leben zurückkehren musst.«
»Ich möchte zu meinem eigentlichen Leben zurückkehren.«
»Ich muss dir nicht all die Gründe aufzählen, warum du nicht deprimiert sein solltest. Beförderung. Gehaltserhöhung. Zenit deiner Karriere. Ein schlechter Mensch für den Rest seines Lebens hinter Gittern.«
»Das spielt alles keine Rolle. Wichtig ist, dass ich hier sitze, Antónios ensopado de borrego esse und mit dir Rotwein trinke. Ich bin nicht dafür gemacht, mit Arschlöchern Champagner zu trinken. Das ist das Beste …«
»Das Beste?«
»Also gut, wir haben …«
»Entspann dich, Zé. Ich wollte dich bloß ärgern.«
Ich lutschte weiter an den Lammknochen und trank noch mehr Wein. Schließlich räumte António alles ab und brachte zwei Gläser aguardente und zwei bicas . Wir rauchten. Luísa weigerte sich, mir aus meiner Stimmung herauszuhelfen. Die Bar leerte sich. António belud die Spülmaschine, Reifen rauschten über die Avenida Marginal, und ein unangenehmer Wind fegte durch die Bäume im Park.
»Er war es nicht«, sagte ich.
»Wovon reden wir jetzt?«, fragte Luísa.
»Das ist der Grund für meine Depression«, sagte ich. »Miguel Rodrigues oder Manuel Abrantes hat Catarina Oliveira nicht ermordet.«
»Wie lange denkst du das schon?«
»Willst du die Wahrheit oder die Version für die Medien?«
»Sei kein chato, Zé. «
»Nein, du hast Recht, ich bin ein chato , und zwar gegenüber der Person, die es als Letzte verdient hat. Ich denke, dass er es nicht war, seit ich die Kleidung des Mädchens in seinem Arbeitszimmer gefunden habe.«
»Die zu den vernichtendsten Beweisstücken des gesamten Prozesses gehörte.«
»Eben … der Besitz der Kleidung machte ihn zu der Person, die das Mädchen entkleidet und wahrscheinlich auch getötet hatte.«
»Und du meinst, irgendwer hätte die Kleider dort deponiert?«
»Zwei Sachen. Erstens: Wir vermuten, dass Miguel Rodrigues meine Ermittlungen
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