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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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ich …«
    »Sie sind aber gut informiert, Herr Poser. Sind Sie bei der Abwehr?«
    »Obwohl ich Sie warnen muss, dass es in dieser Stadt zwei Währungen gibt: Escudos und Informationen.«
    »Deswegen sind Sie hier.«
    »In Lissabon ist jeder ein Spion, Herr Hauptsturmführer, vom niedrigsten Flüchtling bis zum höchsten Diplomaten. Und das schließt Zimmermädchen, Portiers, Kellner, Barkeeper, Ladenbesitzer, Geschäftsmänner, Firmenchefs, alle Frauen, Huren oder nicht, sowie alle echten und falschen Mitglieder der königlichen Familie mit ein. Jeder, der Ohren hat zum Lauschen, kann hier davon leben.«
    »Dann gibt es bestimmt auch eine Menge Gerüchte. Sie sagten selbst, dass die Stadt voll ist, vermutlich mit Leuten, die nicht Besseres zu tun haben, als zu reden. Schließlich vertreibt es die Zeit.«
    »Das ist wahr.«
    »Und wer trennt die Spreu vom Weizen?«
    »Ah ja, da spricht Ihre bäuerliche Herkunft.«
    Felsen löste das weiße Fleisch aus der Schale des Hummers. »Und wo treiben sich die echten Spione rum?«, fragte er.
    »Diejenigen, die uns im Voraus darüber informieren, was Dr. Salazar über die Wolfram-Exporte denkt, meinen Sie?«
    »Denkt er überhaupt darüber nach?«
    »Er fängt zumindest damit an. Wir glauben, dass er beginnt, eine Gelegenheit zu wittern. Wir arbeiten daran.«
    »Wie viele Personen wissen, was ich hier tue?«
    »Diejenigen, die Sie heute Abend kennen lernen werden, insgesamt nicht mehr als zehn. Ihre Arbeit ist sehr wichtig und wird, wie Sie wahrscheinlich wissen, durch eine äußerst delikate politische Lage kompliziert, in der wir zurzeit die Oberhand haben. Unsere Leute werden Ihre Arbeit vor Ort erleichtern.«
    »Oder erschweren, wenn sie anfangen zu verlieren.«
    »Wir pflegen gute Beziehungen zu Dr. Salazar. Er versteht uns. Die Briten verlassen sich auf die Stärke ihrer alten Allianz. Aus dem Jahre 1386, glaube ich, da fragt man sich doch, in welchem Jahrhundert die leben? Wir hingegen …«
    »Machen ihm Angst?«
    »Ich wollte sagen, wir liefern ihm, was er braucht.«
    »Aber ich bin mir sicher, dass er sich auch der Tatsache bewusst ist, dass in Bayonne ein Panzerregiment stationiert ist.«
    »Nicht zu vergessen die U-Boote im Atlantik«, sagte Poser. »Aber wenn man die Nutte spielt und mit beiden Seiten ins Bett geht, muss man auch damit rechnen, hin und wieder eine Ohrfeige zu kassieren. Zart?«
    »Verzeihung?«
    »Der Hummer.«
    »Sehr zart.«
    »Portugiesischer Hummer … klein, aber absolut zart. Der beste der Welt.«
    »Ich denke, dass ich nach meinem Nickerchen vielleicht einen Spaziergang mache.«
    »Der Jardim da Estrela ist nicht weit und sehr angenehm.«
     
    Um fünf Uhr nachmittags war das Café Chave do Ouro am Rossio im Herzen der Stadt gut gefüllt. Es war nach wie vor warm, und die Fenster standen offen. Laura van Lennep saß an einem der offenen Fenster und blickte immer wieder auf den Platz. Sie saß seit eineinhalb Stunden über einer Tasse Kaffee, doch die Kellner belästigten sie nicht. Sie waren daran gewöhnt.
    Mit einem Ohr lauschte sie dem Gespräch am Nachbartisch, Flüchtlinge, die mit schwerem Akzent Französisch sprachen. Die beiden Männer hatten am frühen Morgen Armeelaster in der Baixa gesehen und entwickelten irgendeine fantastische Invasionstheorie, die auch nicht dazu beitrug, Laura van Lennep zu beruhigen. Sie war verzweifelt, hatte keine Zigaretten mehr, und der Mann, der ihr Leben ändern würde, der versprochen hatte, ihr Leben zu ändern, kam nicht.
    Auf der Treppe tauchte ein Mann auf und sah sich um. Er ging langsam durch den Raum und blieb dann vor ihrem Tisch stehen. Seine untersetzte Gestalt ließ ihn kleiner wirken, als er war. Er hatte streichholzkurze dunkle Haare und blaugraue Augen, die sie innerlich zittern ließen. Sie ließ ihren Blick noch einmal über den Rossio schweifen, über die Gruppe von Männern in dunklen Anzügen, die noch immer auf der schwarzweißen calçada herumlungerten, die Schlange von Taxis, den Kiosk, wo die Fahrer noch immer Kaffee tranken und über Fußball redeten. Sie wandte sich wieder dem Raum zu, und er stand immer noch da. Sie spürte seine Augen auf sich und packte die Handtasche mit ihren Papieren. War er von der Polizei? Sie hatte von den Zivilen gehört. Doch er sah nicht portugiesisch aus, obwohl er eine gewisse Autorität ausstrahlte. Sie zupfte überflüssigerweise ihr weinrotes Kleid zurecht, das schon vor einem Jahr in den Müll gehört hätte.
    »Darf ich mich zu Ihnen

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