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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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hundert. Ich war heute am Schalter. Ein Mann hat vierhundert Dollar gezahlt, um auf die Nyassa zu kommen. Je länger ich hier bleibe …«
    »Ich bin bis zum Schalter gekommen, doch dann tritt sie ans Fenster. Sie erkennt mich nicht. Sie will mich nicht kennen. Sie nimmt nicht einmal den Antrag entgegen, es sei denn … es sei denn, man kann bezahlen oder die richtigen Einladungen vorweisen oder …«
    Der Deutsche rief den Kellner und bezahlte die beiden Kaffee. Er stand auf und blickte auf das junge Paar hefrab. Der Engländer musterte ihn argwöhnisch. Die Frau sah verändert aus – in ihrem Gesicht stand plötzlich eine hungrige Intensität. Der Deutsche setzte seinen Hut auf und tippte an die Krempe.
    »Vielen Dank für den Kaffee«, sagte sie. »Sie haben mir gar nicht Ihren Namen gesagt.«
    »Sie mir Ihren auch nicht. Ich glaube, so weit waren wir noch nicht gekommen.«
    »Laura van Lennep«, sagte sie. »Und das ist Edward Burton.«
    »Felsen«, sagte er. »Klaus Felsen.«
    Er streckte die Hand aus. Der Engländer ergriff sie nicht.

9
    8. März 1941,
    Deutsche Gesandtschaft, Lapa, Lissabon
     
    Der Botschafter schaffte es weder zu dem Empfang noch zu dem Essen. Felsen saß zwischen zwei Wolfram-Exporteuren, einem Portugiesen mit drei Schürfkonzessionen in der Gegend um Trancoso in der Beira Alta und einem belgischen Adeligen, der gar nichts erzählen wollte, außer dass seine Gruppe eine Tarnfirma unterhielt, über die Felsen seinen Wolfram-Export abwickeln würde.
    In Abwesenheit des Botschafters, der sie an ihre eigene Unwichtigkeit hätte erinnern können, verbreiteten sich die Mitglieder der Gesandtschaft wichtigtuerisch über Dinge, die sie nichts angingen. Felsen bekam den Eindruck, dass die eigentliche Arbeit eher in den Fluren der Macht und den Hotelhallen von Lissabon als in den kargen Gebirgszügen des Nordens geleistet wurde. Er machte sich auch nicht beliebter, als er fragte, wie sich ihr geheimnistuerisches Feilschen konkret in Tonnen per LKW umsetzen ließ, die die Grenze überqueren mussten. Sie gaben sich herablassend, deuteten komplizierte Verhandlungen an, ohne konkret zu werden, und sagten, er würde die Resultate schon spüren. Felsen interpretierte das Gehörte für sich und kam zu dem Schluss, dass die Abwehr und die Versorgungsabteilung das Eindringen der SS in ihr Gebiet missbilligten. Er war auf sich allein gestellt.
    Als sie nach dem Essen auf der Treppe auf die Wagen warteten, die sie nach Estoril bringen sollten, stellte Felsen fest, dass ihn der achtlose Umgang mit Licht immer noch irritierte. Jedes der zwei Meter hohen Fenster des palácio erstrahlte im Licht eines verschwenderischen Kronleuchters. Als er am frühen Abend die Baixa mit dem Taxi verlassen hatte, hatte die Nyassa nach wie vor unbekümmert und strahlend hell erleuchtet im Herzen der Docks vor Anker gelegen. Berlin hingegen war seit zwei Jahren nach Anbruch der Dunkelheit wie verwaist. Das Anzünden einer Zigarette auf offener Straße nach Einbruch der Dunkelheit konnte einen ins KZ bringen, und die Scheinwerfer der Autos waren zu dünnen Schlitzen verblendet. Verglichen mit dem lodernden Kamin Lissabons wirkte der Rest Europas wie ein Kohlenkeller.
    Über der Stadt hörte man ein Knattern wie von Schüssen, und ein jüngeres Mitglied der Gesandtschaft, das ein paar Gläser zu viel getrunken hatte, rief laut lachend: »Die Invasion!«
    Die Portugiesen stiegen mit versteinerten Mienen in die Autos. Felsen saß wieder mit Poser auf der Rückbank des Mercedes. Sie fuhren den steilen Hang nach Alcântara hinunter und weiter in westlicher Richtung stadtauswärts.
    »Was war denn diese ›Invasion‹?«, fragte Felsen.
    »Eine allabendliche Erinnerung daran, wer das Sagen hat«, antwortete Poser und sah aus dem Fenster, als würde er Menschenmassen erwarten. »Salazar hat angeordnet, dass die Lissabonner ihre Teppiche erst nach neun Uhr abends ausklopfen dürfen.«
    Sie fuhren durch Belém, vorbei an erleuchteten Gebäuden und angestrahlten Denkmälern.
    »Sie sind spazieren gegangen?«, fragte Poser.
    »Ich bin zum Castelo de São Jorge hinaufgestiegen und habe ein Taxi zurück genommen.«
    »Dann haben Sie ja schon einiges von Lissabon gesehen«, sagte er. »Und wenn Sie jetzt Salazars Hauptstadt in der Dunkelheit sehen, verstehen Sie vielleicht meine Bemerkung von heute Nachmittag. Lissabon ist eine Hure, eine arabische Bauernhure, die abends eine Tiara trägt.«
    »Vielleicht sind Sie schon zu lange hier,

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