Tod in Lissabon
seit Wochen. Genau genommen ist es sogar doppelt ausgebucht. Die meisten dieser Schwachköpfe haben nicht einmal Geld und damit auch keine amerikanischen Visa. Nun, die Guarda Nacional Republicana wird jeden Augenblick hier sein und den Auflauf zerstreuen. Mit der Serpa Pinto war es letzte Woche dasselbe, und nächste Woche wird es die Guiné sein. Immer dasselbe.«
»Ich habe das Gefühl, wir verlassen Lissabon«, sagte Felsen, als die grünen Ränder der Stadt immer schneller an ihnen vorbeiflogen.
»Noch nicht. Heute Abend vielleicht. Wir fahren ins Palácio do Conde dos Olivais in Lapa, wo wir die deutsche Gesandtschaft eingerichtet haben. Sie werden sehen, dass wir uns die beste Lage in Lissabon ausgesucht haben.«
Sie kamen aus Madragoa nach Lapa und fuhren die Rua São Domingos à Lapa hinunter. Auf halber Strecke hing ein Union Jack schlaff an einem hoch aufragenden rosafarbenen Gebäude mit hohen Fenstern und einem etwa fünfzig Meter breiten Giebeldreieck an der Fassade zur Straße.
»Unsere Freunde, die Briten«, sagte Poser und winkte mit der Prothese.
Der Fahrer bog links in die Rua do Sacramento à Lapa ein, und nach einigen hundert Metern tauchte zur Linken ein würfelförmiges Palais mit eigenem Park auf. Bougainvillea wucherte über den Eisenzaun, die Wedel der Phoenixpalmen wiegten sich in der sanften Brise, und die drei schwarz-weißroten Hakenkreuzfahnen flatterten träge. Das Tor wurde geöffnet, sie fuhren eine kurze Kiesauffahrt hinunter und blieben vor der Treppe stehen. Ein Portier öffnete die Wagentür.
»Ein frühes Mittagessen?«, fragte Poser.
Sie saßen im Speisesaal, und die Sonne warf kurze Rechtecke aus Licht auf die leeren Tische. Sie warteten auf die Suppe. Felsen versuchte sich zu erinnern, wann er sich zuletzt so ruhig gefühlt hatte. Das musste vor dem Krieg gewesen sein, vor der Olympiade, als er in seiner Wohnung in der … er konnte sich nicht mehr an den Namen der Straße erinnern … mit Susana Lopez, der Brasilianerin, im Sommer bei offenem Fenster im Bett gelegen hatte.
»Gefällt es Ihnen?«, fragte Poser, der stocksteif dasaß.
»Verzeihung?«
»Unsere Gesandtschaft. Unser palácio. «
»Prachtvoll.«
»Die Baixa«, sagte Poser und kräuselte die Nase, »mit all den Flüchtlingen ist wirklich sehr enervierend. Lapa ist ungleich zivilisierter. Hier kann man atmen.«
»Und der Krieg erscheint einem sehr weit weg«, meinte Felsen frostig.
»In der Tat. Berlin war in letzter Zeit vermutlich weniger spaßig«, sagte Poser und versuchte, einen geschäftsmäßigen Ton anzuschlagen. »Wir werden heute Abend für Sie einen kleinen förmlichen Empfang mit Essen geben, damit Sie einige Leute kennen lernen können, mit denen Sie zusammenarbeiten werden. Haben Sie …«
»Ja, habe ich.«
»Danach möchten Sie vielleicht nach Estoril an der Küste fahren. Im Hotel Parque ist ein Zimmer für Sie reserviert. Dort gibt es das Kasino und Tanz. Ich denke, Sie werden es äußerst angenehm finden.«
»Irgendwann würde ich gern ein bisschen schlafen. In der letzten Woche bin ich unterwegs kaum dazu gekommen.«
»Selbstverständlich, ich wollte nicht voreilig sein. Ich wollte lediglich sichergehen, dass Sie nach dem eher förmlichen Anlass ein wenig Bequemlichkeit und Gesellschaft genießen können.«
»Nein, nein. Mit Vergnügen. Ein paar Stunden Schlaf am Nachmittag reichen.«
»Ich habe in dem Raum neben meinem Büro ein Feldbett stehen, das Sie gerne benutzen können.«
Die Suppe wurde serviert, und die beiden Männer aßen schweigend.
»Dieses Hotel Parque …?«, begann Felsen.
»Ja. Uns gehört das Hotel Parque, den Briten das Hotel Palácio. Wir residieren direkt nebeneinander. Das Palácio ist größer, aber das Parque hat die Quellen … wenn man so etwas mag.«
»Ich wollte fragen …«
»Eine sehr internationale Szene, wie gesagt. Eine lange Ballnacht. Wenn man den Gesprächen dort lauscht, könnte man meinen, man wäre auf einem Ball im Schloss von Versailles. Und die Frauen dort draußen sollen sehr viel fortschrittlicher sein als die Einheimischen.«
Die Suppenteller wurden abgetragen und von einem geteilten, gegrillten Hummer ersetzt.
»Habe ich Ihre Frage damit beantwortet?«, fragte Poser.
»Perfekt.«
»Ihr Ruf eilt Ihnen voraus, Herr Hauptsturmführer Felsen.«
»Ich wusste nicht, dass ich einen Ruf habe, der von großem Interesse wäre.«
»Sie werden feststellen, dass die ausländischen Frauen in Estoril sehr entgegenkommend sind, obwohl
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