Tod in Lissabon
Poser.«
»Ach, Salazar, er sagt eins und tut etwas anderes, er lehnt sich hier aus dem Fenster und stellt dort einen Fuß in die Tür. Er nimmt unsere Schweizer Franken und Goldbarren und räumt den Engländern dann unbegrenzten Kredit ein. Er wettert dagegen, dass sie seine Importe aus den Kolonien blockieren und … ach … Der Mann ist ein Maure und treibt ein doppeltes Spiel, mit wem er will«, schloss Poser verbittert.
»Und Sie glauben, weil Sie sie bezahlen, müsste die Hure treu sein. Als Nächstes wollen Sie noch, dass sie sich in Sie verliebt.«
»So ist es, Felsen«, erwiderte Poser kühl. »Ich vergaß, dass Sie in diesen Angelegenheiten Experte sind.«
Sie erreichten die neue Küstenstraße, die Avenida Marginal. Am Ufer des schwarzen Atlantiks glitzerten die Lichter von Caixas, Paço de Arcos, Oeiras, Carcavelos und Parede, Schlafstädte am Stadtrand. Als sie vor den erleuchteten Fassaden der Hotels Parque und Palácio ausstiegen, wies Poser auf das Kasino, das am Kopf eines lang gezogenen Platzes stand, der mehrere hundert Meter weit zum Meer hin abfiel. Aus dem modernen Flachbau wehte Musik. Entlang der palmenbestandenen Parkanlagen standen schlangenweise Autos. Ein Page holte die Taschen aus dem Kofferraum, und Felsen und Poser traten durch den hohen Bogen in der Fassade des Hotel Parque.
»Es gibt da noch jemanden, den Sie kennen lernen sollten«, sagte Poser und ging zum Empfang.
»Das ist Felsen«, sagte er zu dem Mann mit dem spitzen Gesicht hinter dem Tresen.
Der Portier blätterte sein Register durch und sprach mit dem Pagen, ohne den Blick von dem Buch zu wenden.
»Ihm müssen Sie gar nichts sagen«, sagte Poser über den Portier. »Er weiß es schon vor Ihnen. Habe ich nicht Recht?«
Der Portier sagte nichts, doch an seiner aufmerksamen Ruhe erkannte Felsen, dass er ein Mann war, der über einige Hotelerfahrung verfügte.
»Nehmen Sie Ihre Suite in Besitz, und dann führe ich Sie herum«, sagte Poser und lachte mit einem Blick auf den Portier. »Reden Sie nicht mit den Blumen und benutzen Sie auch kein hauseigenes Telefon, habe ich nicht Recht?«
Der Portier blinzelte einmal langsam.
Kurze Zeit später gesellte Felsen sich zu Poser in der Bar. Sie flohen die langweilige Gesellschaft der anderen Gesandtschaftsmitglieder und gingen in dem lauen Sommerabend durch den Park zum Kasino.
»Der Portier weiß, dass es alle mitbekommen sollen, wenn wir so daherreden.«
»Ist die Bar deshalb so leer?«
»Die wird sich im Laufe des Abends schon noch füllen.«
Sie betraten die Lobby des Kasinos gleichzeitig mit einer kleinen, dunkelhaarigen, sehr gepflegten Frau, die einen Pelzmantel und einen teuren Hut ablegte, bevor sie in Begleitung von zwei deutlich jüngeren, kräftigen Männern zur Bar strebte. Sie trug Nylonstrümpfe, und mehr als der halbe Saal wandte den Kopf, als sie hereinkam.
»Ist sie die Königin von irgendwas?«, fragte Felsen.
»Das ist die Königin von Lissabon«, sagte Poser.
»Die Tochter der arabischen Hure?«, fragte Felsen, und Poser lachte schallend.
»Ihr Name ist Madame Branescu. Sie leitet die Visaabteilung der amerikanischen Botschaft. Sie haben doch all die Menschen gesehen, die heute Abend auf die Nyassa wollten?«
»Sie hat von jedem Einzelnen Prozente genommen.«
»Sie hätten sie mal vor eineinhalb Jahren sehen sollen. Sie war nur halb so dick, und durch ihre Kleider konnte man eine Zeitung lesen. Sie spricht vierzehn Sprachen. Ich weiß nicht, ob Sie auf Ihrem Spaziergang am amerikanischen Konsulat vorbeigekommen sind, aber da braucht sie diese vierzehn Sprachen auch und noch ein paar mehr.«
Sie gingen in die Bar. Der Kellner stand schon am Tisch bereit, als die Frau mit ihren beiden blonden Begleitern Platz nahm. Trotz der Kleidung, der Frisur und des Make-ups war sie keine attraktive Frau. Felsen stellte sich vor, dass sie in ihrem früheren Leben in der Kanzlei eines bedeutenden Anwalts gearbeitet hatte. Eine kleine, farblose Frau in Grau, von keinem beachtet, der wie dem Hotelportier nichts entgangen war – die Sprachen, die Kontrolle, die Kunst der Macht. Und hier war sie nun, eine unwahrscheinlich kleine Person, die über Leben oder Verzweiflung der tausende von Menschen entschied, die in den Pensionen von Lissabon hausten. Männer und Frauen näherten sich tief gebückt und mit unterwürfigen Worten. Einige durften einen Kuss auf ihre fleckigen Handgelenke hauchen, andere schlurften leichenblass und zitternd zu ihren Plätzen
Weitere Kostenlose Bücher