Tod in Lissabon
Mittelpunkt des Wolfram-Gebiets und bot sich deshalb als Hauptquartier an.
Als er die Konferenz beendete, hatte es aufgehört zu regnen. Sein Fahrer meldete, dass er dem chefe der Guarda Nacional Republicana, kurz GNR, die beiden Flaschen Cognac zugestellt hätte und dass er den Posten sofort, am besten noch vor dem Mittagessen, besuchen sollte.
Der chefe der GNR war erst vor kurzem von Torres Vedras hierher versetzt worden. Er war ein großer Mann mit einem kleinen Gesicht in einem riesigen Schädel. Sein buschiger, glänzend schwarzer Schnauzer hatte aufgezwirbelte Enden, die ihn permanent fröhlich aussehen ließen, was er die meiste Zeit auch war. In Felsens Bauernpranke fühlte sich seine Hand klein und weich an und nicht so, als ob sie mit der ganzen Macht des Gesetzes durchgreifen würde. Felsen nahm auf der anderen Seite eines Schreibtischs Platz, der aussah, als hätte er im spanischen Unabhängigkeitskrieg schwere Scharmützel miterlebt. Der chefe bedankte sich für das Geschenk und bot ihm ein Glas Absinth an. Er goss den grünen Likör in zwei kleine Gläser. Als er den bitteren Wermut schmeckte, verzog Felsen den Mund, bevor er dem chefe eine Zeitung präsentierte und auf einen Artikel unten auf der Seite tippte. Der chefe las ihn, nippte an seinem Absinth und dachte ans Mittagessen. Er nahm eine von Felsens Zigaretten.
»Sie schaffen es bis auf die Titelseite in Lissabon«, sagte Felsen.
»Mord«, sagte der chefe und sah aus dem Fenster in den aufklarenden Himmel, »ist in dieser Gegend heutzutage ziemlich verbreitet.«
»Dies war der dritte Mord in zwei Wochen. Die Leichen wurden alle in derselben Gegend gefunden, und sie waren alle nackt, gefesselt und zu Tode geprügelt.«
»Es ist das Wolfram«, sagte der chefe , als ob ihn das nichts anginge.
»Natürlich ist es das Wolfram.«
»Sie sind alle verrückt geworden. Selbst die Feldhasen sammeln Wolfram.«
»Wie kommt Ihre Ermittlung voran?«
Der chefe rutschte auf seinem Stuhl hin und her und zog an dem türkischen Tabak. Das Feuer im Kamin knisterte.
»In der Zwischenzeit hat es einen vierten Toten gegeben«, sagte er.
»Einer Ihrer Beamten?«
Er nickte und goss die Gläser noch einmal voll. Der Absinth glättete die Falten in seinem fetten Gesicht, sodass der Schuljunge wieder hindurchzuschimmern begann.
»Verfolgen Sie die Angelegenheit?«
»Im Land herrscht Gesetzlosigkeit«, sagte er dramatisch und mit einer ausladenden Geste. »Wir haben die Leiche gefunden.«
»In derselben Gegend?«
Diesmal kam das Nicken noch langsamer.
»Wo haben Ihre Beamten mit ihren Nachforschungen begonnen?«
»In einem Dorf namens Amêndoa.«
»Und haben Sie vor, mit einer größeren Einheit dorthin zurückzukehren?«
»Das Gebiet, für das ich verantwortlich bin, ist groß. Und unter den gegenwärtigen Umständen … schwierig.«
»Das heißt, Sie hätten gern, dass die Gesetzlosigkeit aufhört, ohne dafür Ihre eigenen Männer einsetzen zu müssen?«
»Das ist unwahrscheinlich«, sagte er traurig, »es geht um viel Geld. Diese Leute haben bisher von fünf tostões hier, fünf tostões da gelebt. Für die ist schon ein einziger Escudo ein Vermögen. Und wenn ein kleiner Brocken Wolfram fünfundsiebzig, achtzig oder sogar hundert Escudos wert ist, ist das wie eine Art Gehirnfieber. Das können Sie sich nicht vorstellen. Die Leute werden verrückt.«
»Wenn ich dafür sorgen würde, dass Ihr Gesetz geachtet wird und es nicht zu weiteren Gewalttaten kommt, könnten Sie mir dann bei einigen meiner Probleme helfen?«
»Keine weitere Gewalt?«, wiederholte er an sein Absinthglas gewandt, als wäre es für diese Eingebung verantwortlich. »Überhaupt keine?«
»Nein«, wiederholte Felsen die Lüge.
»Und welcher Art sind Ihre Probleme?«
»Wie Sie wissen, werden in meinem Auftrag zahlreiche LKWs mit dem Rohstoff durch das Bergbaugebiet und zur Grenze nach Vilar Formoso fahren.«
»Der Zoll ist eine eigene Behörde.«
»Das ist mir bewusst. Aber Sie könnten mir mit den guias helfen, den Frachtpapieren, die wir vorweisen müssen, wenn wir ein Produkt transportieren.«
»Aber die guias sind sehr wichtig für die Regierung. Die muss doch wissen, was wohin transportiert wird.«
»Das ist richtig, und normalerweise gäbe es auch keine Probleme, aber die Bürokratie …«
»Ach ja, die Bürokratie«, sagte der chefe und fühlte sich in seiner Uniform plötzlich beengt. »Sie sind ein Geschäftsmann. Ich verstehe. Geschäftsleute machen gern, was sie
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