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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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wollen, wann sie wollen.«
    Sie verfielen in Schweigen. Den Gesichtszügen des chefe nach zu urteilen, rang er entweder heftig mit sich oder hatte schmerzhafte Blähungen.
    »Ich werde auch herausfinden, was mit Ihrem Beamten geschehen ist«, sagte Felsen, aber das war es nicht. Diesbezüglich wirkte der chefe nicht allzu besorgt.
    »Die guias sind ein sehr wichtiger Kontrollmechanismus der Regierung. Das wäre ein schwerer Verstoß gegen …«
    »Natürlich wird es für jede transportierte Tonne eine Provision für Sie geben«, sagte Felsen und erkannte, dass er den Punkt getroffen hatte. Die Falten des chefe glätteten sich, sein Magen beruhigte sich. Er nahm noch eine von Felsens Zigaretten und durchbohrte sein Gegenüber mit Blicken.
    »Aber woher soll ich ohne guias wissen, wie viele Tonnen Sie transportiert haben?«, fragte er. »Wie wird meine Provision berechnet?«
    »Wir beide werden uns einmal im Monat mit dem Zoll treffen.«
    Das Lächeln des chefe wurde durch seinen Schnauzer noch zusätzlich in die Breite gezogen. Sie besiegelten die Vereinbarung mit einem Handschlag und leerten ihre Gläser. Der chefe öffnete die Tür und klopfte Felsen auf die Schulter.
    »Wenn Sie nach Amêndoa fahren, sollten Sie mit Joaquim Abrantes reden«, sagte er. »Er ist in der Gegend ein sehr einflussreicher Mann.«
    Die Tür wurde wieder geschlossen, und Felsen stand im Halbdunkel des unbeleuchteten Flurs. Er ging langsam aus dem Gebäude und sinnierte über seine erste Lektion: Man durfte die Portugiesen nicht unterschätzen. Er stieg in den Wagen und wies seinen Fahrer an, ihn nach Amêndoa in den Ausläufern der Serra da Estrela zu fahren.
    Eine Straße nach Amêndoa gab es nicht, lediglich einen Schotterpfad, unter dem immer wieder Granitplatten durchschimmerten, auf beiden Seiten gesäumt zunächst von Ginster und Heidekraut, später von Kiefernwäldern. Auch wenn es aufgehört hatte zu regnen, hingen die Wolken noch zwischen den Gipfeln und trieben tiefer und tiefer in die Täler hinab, bis sie erst die Baumwipfel und schließlich auch den Wagen verschluckt hatten. Der Fahrer konnte nur selten über den zweiten Gang hinausschalten. Am Rande des Weges tauchten Menschen auf, die Säcke über dem Kopf trugen, wie Mönche in ihren Kutten. Stumm und grau bewegten sie sich vorwärts, ohne die Köpfe zu wenden.
    Felsen saß auf der Rückbank und spürte, wie sich jeder Meter zwischen ihm und der rauen Zivilisation von Guarda in die Länge zog. Bei dem Treffen mit seinen Agenten hatte er vom Mittelalter gesprochen, aber das hier kam ihm eher vor wie die Eisenzeit oder noch früher. Es hätte ihn nicht überrascht, die Leute mit Knochen harken zu sehen. Bisher hatte er noch kein Maultier oder einen Esel entdeckt. Alle Lasten wurden von den Männern auf den Schultern und den Frauen auf dem Kopf getragen.
    Der Wagen erreichte die Hochebene, ohne dass irgendetwas auf das Dorf Amêndoa hinwies. Dann tauchten plötzlich Granithäuser aus dem Nebel auf, eine Frau in Schwarz schlurfte über die Straße. Der Fahrer hielt vor dem einzigen zweistöckigen Haus des Dorfes, und sie stiegen aus. Die Tür zur Straße stand offen. Eine alte Frau arbeitete zwischen Getreidesäcken, Kisten zum Pökeln von Schinken, getrocknetem Käse, Kartoffelregalen, Kräuterbüscheln, Eimern und Werkzeugen. Der Fahrer fragte nach Joaquim Abrantes. Die Frau verließ ihre Arbeit, verschloss mit knotigen Fingern die Tür und führte die beiden Männer über eine Granittreppe an der Außenseite des Hauses zu einer von zwei Granitsäulen gestützten Veranda, wo sie sie allein zurückließ und wieder im Haus verschwand.
    Ein paar Minuten später öffnete sich die Tür erneut, Felsen duckte sich unter dem niedrigen Sturz und betrat das Haus, während der Fahrer zurück zum Wagen ging. Im Kamin qualmte ein Feuer, ohne Wärme zu spenden. Als Felsens Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte er einen alten Mann, der am Kamin saß. An einer Stange über seinem Kopf hingen chouriços . Die Frau hatte einen Lappen aus der Tasche gezogen und wischte damit über die Augen des Alten. Er stöhnte leise, als würde er im Schlaf gestört und in einer Welt voller Schmerzen erwachen. Dann verließ sie das Zimmer. Irgendwo im Haus hörte man jemanden husten und spucken. Die Frau kam mit zwei kleinen brennenden Öllämpchen zurück. Eines stellte sie auf den Tisch und bedeutete Felsen, Platz zu nehmen. Durch die Latten zwischen Sparren und Dach konnte man

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