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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Schieferziegel erkennen. Die andere Lampe stellte die Frau in einer Wandnische ab, wischte erneut über die Augen des alten Mannes und ging. Die beiden Fenster des Raumes waren gegen das Wetter dauerhaft mit schweren Läden verbarrikadiert.
    Nach ein paar Minuten ging klappernd die Doppeltür hinter Felsen auf, und ein kleiner, sehr breiter Mann schob sich seitlich durch den Spalt. Er brüllte irgendetwas nach hinten, bevor er Felsens Hand mit mechanischer Härte schüttelte. Er setzte sich und stützte seine Unterarme auf den Tisch. Er hatte kräftige Handgelenke, raue Hände und rissige Nägel. Der Körper unter seiner schweren Jacke war grobgliedrig und kräftig. Felsen wusste vom ersten Moment an, dass dies der Mann war, der ihm helfen würde, die Beira zu kontrollieren.
    Ein Mädchen mit Kopftuch brachte eine Flasche aguardente und zwei Gläser. Das Gesicht des Portugiesen glänzte im Schein der Lampe wie eine riesige, vom Tagebau verwüstete Landschaft. Sein Haar war zu einem dichten schwarzgrauen Lavastrom nach hinten gebürstet, Stirn und Nase erinnerten an einen Steilhang mit einem Grat aus Granit, Augenhöhlen und Wangen an Krater. Die gesamte Geografie des Gesichts war von den Jahren im kalten, trockenen Wind zu einer öden Kargheit verhärtet. Es war unmöglich, sein Alter zu schätzen – irgendwo zwischen fünfunddreißig und fünfundfünfzig. Doch welche Mineralien auch immer die Knochen seines Gesichts gestählt hatten, sie waren nicht bis zu seinen Zähnen vorgedrungen, die schwarz und abgebröckelt waren oder gelblich mit abblätterndem Schmelz, wenn sie nicht ganz fehlten. Joaquim Abrantes goss den blassen Schnaps in die Gläser, und sie tranken.
    Das Mädchen kam mit Brot, geräuchertem Schinken, Käse und chouriço und legte Abrantes ein Messer hin. Ihr Gesicht wirkte sehr jung, und sie hatte helle blaue oder grüne Augen, das war in dem gelben Licht der Öllampe schwer zu erkennen. Eine blonde Strähne hing aus ihrem Kopftuch. Sie war hübscher als alles, was Felsen seit seiner Abreise aus Lissabon gesehen hatte, aber höchstens fünfzehn, auch wenn sie bereits den Körper einer erwachsenen Frau hatte.
    Abrantes beobachtete, wie der Deutsche das Mädchen betrachtete. Er schob ihm Brot, Schinken und Messer hin, und Felsen aß. Der Schinken war vollkommen süß.
    »Bolotas« , sagte Abrantes – Eicheln. »Sie machen das Fleisch süß, finden Sie nicht?«
    »Ich habe in der Gegend nicht viele Eichen gesehen. Nur Ginster und Kiefern.«
    »Weit weg von den Bergen gibt es welche. Ich bringe sie hierher. Ich habe die süßesten Schweine in der Beira.«
    Sie aßen und tranken weiter. Die chouriço war voller kleiner Fettklumpen, der Käse weich, streng und salzig.
    »Ich habe gehört, dass Sie mich besuchen würden«, sagte Abrantes.
    »Ich wüsste nicht, wie.«
    »Neuigkeiten dringen auch zu uns hier oben vor. Wir haben sogar schon von Ihrem Krieg gehört.«
    »Dann wissen Sie auch, warum ich hier bin.«
    »Um in einem Mordfall zu ermitteln«, sagte Abrantes, und seine Schultern bebten. Metall klimperte in seiner Jacke. Der Mann lachte.
    »Mord interessiert mich, das stimmt.«
    »Ich wüsste nicht, warum der Tod von ein paar portugiesischen Bauern für Sie von Interesse sein sollte.«
    »Und dem eines GNR-Beamten.«
    »Das war ein Unfall. Er ist vom Pferd gefallen. So etwas passiert auf schwierigem Gelände«, sagte Abrantes. »Außerdem, wen interessiert’s? Gibt es in Ihrem Krieg nicht genug Tote, um Sie beschäftigt zu halten, auch ohne dass Sie in die Beira kommen?«
    »Es ist interessant, weil es heißt, dass irgendwer die Situation kontrolliert.«
    »Und Sie würden diese Situation vielleicht gern selbst kontrollieren.«
    »Dies ist Ihr Land, Senhor Abrantes. Es sind Ihre Leute.«
    Die Gläser wurden wieder gefüllt. Felsen bot eine Zigarette an, doch Abrantes war noch nicht bereit, irgendetwas von ihm anzunehmen.
    »Senhor Abrantes«, sagte Felsen. »Ich werde Sie zu einem sehr reichen Mann machen.« Joaquim Abrantes drehte das Glas auf dem Tisch, als wollte er es in die Holzplatte schrauben. Er antwortete nicht. Vielleicht hatte er all das schon einmal gehört. »Sie und ich werden den Markt für jeden Brocken frei verkäuflichen Wolframs in dieser Gegend kontrollieren.«
    »Warum sollte ich mit Ihnen zusammenarbeiten, wenn es mir auch so sehr gut geht … und wenn Sie mich reich machen, können die Briten dann nicht dasselbe? Vielleicht spekuliere ich lieber am Markt. Soweit ich sehe,

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