Tod in Lissabon
Granithäuser, wo sie sich auf ihre Holzpritschen legten und sich mit beiden Händen die Ohren zuhielten.
Das Wetter schlug um. Donner weckte Felsen aus trunkenem Schlaf. Er wusste nicht, wo er war. Sein Kopf tat so weh, dass er glaubte, er müsste gefallen sein, und er hatte einen säuerlichen Geschmack im Mund wie von Käse. Er drehte sich um und sah den Engländer zusammengesunken auf dem Stuhl hängen, was ihn schockierte. Er wollte nachsehen, doch dann sah er die Waffe auf dem Boden und das Blut auf der Brust des Mannes … wie war das geschehen?
Ein düsterer Regen setzte ein, und Felsen ging nach draußen, um sich die Hände zu waschen. Kurz darauf stürzte er entsetzt in die Höhle zurück und stolperte über den am Boden liegenden Abrantes. Seine Hände und sein Hemd waren rot gefärbt. Draußen regnete es Blut. Er brüllte Abrantes an, der aufgewacht war und eine Hand ins Freie hielt.
»Das ist schon einmal passiert«, sagte er und wischte sich die Hand an der Hose ab. »Mein Vater hat mir erzählt, dass es vor vierzig Jahren so geregnet hat. Es kommt von dem roten Wüstenstaub. Es ist nichts.«
Sie verstauten die Leiche des Agenten im Kofferraum und fuhren zurück zu Abrantes’ Haus, wo sie Burton im Hof entluden. Felsen fuhr den Wagen des Engländers zurück zu der Mine und so weit wie möglich in den Stollen. Der Sturm hatte es vorzeitig dunkeln lassen, und als er die Scheinwerfer ausschaltete, war es bereits stockfinster. Felsen packte das Steuer mit beiden Händen und drückte seine Stirn dagegen. Das Geräusch von splitterndem Glas kam ihm in den Sinn, die bagaç o-Flasche an der Wand der Mine, ihr abgebrochener Hals Griff eines primitiven Werkzeugs. Wie hatte das geschehen können?
Abrantes stand bis zur Hüfte in einem Loch im Garten. Das Mädchen sah ihm zu. Ihr Bauch war dick, sie war im vierten oder fünften Monat schwanger. Sie goss Felsen ein Glas kalten Weißwein ein und ging ins Haus.
»Glückwunsch«, sagte Felsen, der wieder in der Realität gelandet war.
Abrantes fragte ihn, was er meinte. Felsen wies mit dem Kopf zum Haus.
»Ich will bloß hoffen, dass es ein Junge wird«, sagte Abrantes.
»Ist sie nicht noch sehr jung für Kinder?«
»Dann ist die Chance größer, dass es ein Junge wird.«
»Das wusste ich nicht.«
»Das sagt die Senhora dos Santos, die weise alte Frau unseres Dorfes.«
»Wie alt ist das Mädchen?«
»Ich weiß es nicht.«
Das Mädchen kam mit Oliven, Käse und Wurst wieder auf den Hof und stellte sie neben den Wein auf den Tisch.
»Wie alt bist du?«, fragte Abrantes.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie.
Sie begruben die Leiche und gingen ins Bett. Felsen träumte lebhaft. Er erwachte mit geschwollener Blase und stolperte versehentlich ins Haupthaus, um sich zu erleichtern, wo er Abrantes’ Grunzen und eine Art Zischen des Mädchens hörte, als hätte sie sich mit einem Messer geschnitten. Er ging nach draußen in den Hof und weiter bis zum Rand des Dorfes. Die Luft war jetzt frisch und roch nach dem Regen satt und erdig. Er pinkelte einen zwanzig Meter langen Stacheldraht. Tränen liefen über sein Gesicht. Diese Hure aus Guarda. Die Schmerzen waren unerträglich.
12
16. Dezember 1941,
SS-Kaserne, Unter den Eichen, Berlin-Lichterfelde
»2200 Tonnen«, sagte Gruppenführer Lehrer, die Wolfram-Kampagne für die Brigadeführer Hanke, Fischer und Wolff resümierend, »sind bereits in Deutschland eingetroffen. Weitere dreihundert Tonnen sind auf dem Weg, und noch einmal einhundertfünfundsiebzig Tonnen lagern in Portugal. Das ergibt nach meiner Rechnung eine Gesamtmenge von 2675 Tonnen, womit das angestrebte Ziel von dreitausend Tonnen um dreihundertfünfundzwanzig Tonnen verfehlt wird.«
Die vier Männer schwiegen. Felsen saß rauchend drei Meter von Lehrers Schreibtisch entfernt.
»Unser Geheimdienst in Lissabon teilt uns mit, dass die Briten 3850 Tonnen exportiert haben.«
»Wahrscheinlich haben Sie die Beralt-Mine noch nicht gesehen, Herr Gruppenführer«, sagte Felsen. »Es ist eine gigantische Anlage …«
»Der Geheimdienst berichtet weiter, dass es sich bei 1300 Tonnen um so genanntes ›freies‹ Wolfram gehandelt hat. Unserer Ansicht nach hätten diese 1300 Tonnen nach Deutschland gehen sollen. Himmelherrgott«, sagte Lehrer und blätterte durch die Papiere auf seinem Schreibtisch, »das Geld, das wir bezahlen …«
»660000 Escudos pro Tonne«, sagte Felsen.
»Das sagt mir gar nichts.«
»Sechstausend Pfund pro Tonne«, sagte
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