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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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ins Wohnzimmer kommen.
    »Es ist kalt«, sagte sie.
    Sie ging splitternackt auf Zehenspitzen über den gebohnerten Boden, ihre Beine waren sehnig und dürr. Ihre unterernährten Brüste mit den geschrumpften Brustwarzen hingen schlaff über ihre sich deutlich abzeichnenden Rippen, und sie drückte sie fröstelnd an ihren Körper. Er zog die Uniformjacke aus und streifte die Hosenträger von den Schultern. Zitternd stützte sie das Kinn auf die Fäuste. In der Glastür spiegelte sich ihre Rückansicht – der traurige Hintern mit den vorstehenden Hüftknochen. Ohne große Begeisterung forderte er sie auf, die Vorderseite seiner Hose zu massieren. Ihre Zähne klapperten, und sein Penis rührte sich nicht.
    »Dir ist kalt, geh zurück ins Bett«, sagte er.
    »Nein«, sagte sie. »Ich will es.«
    »Geh wieder ins Bett«, sagte er scharf, und sie widersprach nicht länger.
    Er saß im Dunkeln und trank den aguardente , den er für Weihnachten mitgebracht hatte. Er schmeckte widerlich. Im Kopf ging er noch einmal die Begegnung mit Eva durch und suchte nach irgendeinem Ansatzpunkt, doch er fand keinen. In den frühen Morgenstunden entschied er, dass ihn nichts mehr in Berlin hielt und er den nächsten Flug zurück nach Lissabon nehmen würde.
     
    Am nächsten Tag flog er über Rom zurück und hielt sich gerade so lange in Lissabon auf, um sich von Poser berichten zu lassen, dass etwas im Gange war. Er wusste nicht genau, was, aber seine Männer arbeiteten daran. Salazar war auf jeden Fall nicht glücklich.
    »Er hat Schaum vor dem Mund«, sagte Poser genüsslich, »er ist fuchsteufelswild. Ein heiliger Zorn. Und die Alliierten kriegen ihn ab … gerade rechtzeitig für unsere Verhandlungen mit der staatlichen Metallgesellschaft.«
    Felsen fuhr nach Norden in die Beira und verbrachte den Nachmittag des 19. Dezember mit seinem Buchhalter in Guarda. Er drehte eine kleine Runde durch sein Revier und tauchte drei Tage vor Weihnachten an einem eisigen, windgepeitschten Morgen in Amêndoa auf. Von Abrantes selbst keine Spur. Die alte Frau saß bei ihrem Mann, Abrantes’ Vater, der in gewohnter Position vor dem Kamin hockte und vom Qualm in den Augen weinte. Das Mädchen war auch da mit ihrem vier Monate alten Sohn Pedro. Felsen fragte sie, wo ihr Mann sei, und sie wirkte verlegen, was, nachdem sie sich an ihn gewöhnt hatte, in seiner Gegenwart nur noch sehr selten vorkam. Sie trug keinen Ring. Sie war nicht verheiratet.
    Felsen strich über das daunenweiche Haar des Babys, dessen Kopf genau in seine Handfläche passte. Das Mädchen bot ihm zu essen und zu trinken an und schwang den Säugling auf ihre Hüfte.
    »Lass mich ihn nehmen«, sagte Felsen.
    Sie zögerte und sah ihn mit ihren hellgrünen Augen forschend an. Ausländer. Sie gab ihm das Baby und ging in die Küche. Sie hatte ihre mädchenhafte Gestalt nicht wiedererlangt. Ihr Busen war voll geblieben, und unter ihrem wadenlangen Rock zeichneten sich ihre wiegenden Hüften ab. Als sie sich umdrehte und Felsen dabei ertappte, sie auf diese Art zu betrachten, lächelte sie beinahe. Er kitzelte das Baby. Pedro grinste, und Felsen sah ein Abbild von Abrantes ohne seine Kronen.
    Sie brachte ihm Wein und chouriço . Er gab ihr das Baby, das nach ihrer Brust grabschte.
    »Ist er auf seinem Land unterwegs?«, fragte Felsen, der annahm, dass Abrantes seine eigenen zwanzig Hektar absuchte, nachdem der Wolfram-Preis einen neuen Höchststand erreicht hatte.
    »Er ist heute Morgen weggefahren. Er hat nichts gesagt«, erwiderte sie.
    »Erwartest du ihn zurück?«
    Sie zuckte die Achseln – Abrantes sprach nicht mit den Frauen in seinem Haus. Felsen trank zwei Gläser von dem einfachen Landwein, aß ein paar Stückchen chouriço und fuhr in den kalten Morgen hinaus. Im Nachbartal fand er jemanden, der ihn zu Abrantes’ Grundstück führte. Er hatte Recht gehabt. Es wurde gearbeitet. Aber keine Spur von Abrantes.
    Auf dem Grundstück stand ein kleines, mit Schiefer gedecktes Natursteinhaus. Das Dach war halb eingefallen, die heil gebliebenen Ziegel waren auf dem Boden gestapelt, die zerbrochenen zu einem Haufen grauer Scherben zusammengekehrt. In dem Haus stand eine Frau und kochte windgeschützt auf einem Kohlenrost. Sie war hager und schmutzig, das Gesicht eingefallen und zahnlos.
    Die Tür auf der anderen Seite des Hauses war morsch. Auch dort lebten Menschen. Er sah eine mit Lumpen bedeckte Pritsche und ein paar angestoßene Tonschalen. Es roch nach feuchter Erde und Urin. Unter den

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