Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
Vom Netzwerk:
Der Fahrer ließ den Motor mehrmals aufheulen, bevor er ihn schließlich ganz abwürgte. In der harzigen Stille des Waldes hörte man nur das Zirpen der Grillen. Der Fahrer stieg aus und strafte den Baum mit Trägheit. Er ging zum Kofferraum und kramte, ohne hinzugucken, zwei Minuten darin herum, bevor er ihn wieder zuklappte und sich zum hinteren Fenster hinabbeugte.
    Der englische Agent stieg aus. Er war groß und trug eine Khaki-Hose und ein weißes Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. In der rechten Hand hielt er einen Revolver. Er blickte über das Wagendach in den Wald und musterte das Wurzelwerk der Kiefer. Dann ging er zurück zum Wagen, legte die Waffe aufs Dach, zog sein Hemd aus und warf es auf die Rückbank. Er trug jetzt nur noch ein Unterhemd; sein Oberkörper und seine Oberarme waren bis zu den Ellenbogen weiß.
    Felsen ließ seinen Arm sinken, und der Mann mit der Axt machte sich auf den Weg die Straße hinunter zu dem umgestürzten Baum.
    »Boa tarde« , sagte er zu den beiden Männern auf der Straße.
    Der Agent nahm die Waffe vom Dach und richtete sie auf den Bauern, der sofort die Arme hochriss. Die Axt fiel scheppernd zu Boden. Der Engländer winkte ihn zu dem Baum herüber. Der Bauer blickte zu der Axt, aber der Engländer schüttelte den Kopf.
    »Não, não, anda cá« , sagte er.
    Der Bauer erklärte ihm in breitem Dialekt, dass er seine Axt nicht auf dem Boden liegen lassen wollte, was der Fahrer für den Agenten noch einmal wiederholte. Der Agent sagte, er solle sie aufheben und ihm geben. Der Bauer reichte ihm den glatten Holzgriff an, und der Agent gab die Axt an seinen Fahrer weiter und sagte, er solle sich beeilen.
    »Soll er doch die Arbeit machen«, sagte der Fahrer.
    »Ich will aber, dass Sie das erledigen. Wir kennen ihn nicht.«
    Der Fahrer schüttelte den Kopf und ging weg. Der Engländer war wütend, doch er befand sich in einer Zwangslage. Schließlich steckte er den Revolver in seinen Hosenbund und machte sich selbst an die Arbeit. Der Fahrer saß auf der vorderen Stoßstange und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der Bauer betrachtete den Agenten mit der milden Nachsicht eines Mannes, der einen anderen sieht, der nicht mit einem Werkzeug umzugehen weiß. Binnen Sekunden war der Agent schweißnass. Anfangs unterbrach er seine Arbeit immer wieder, um sich den Schweiß abzuwischen, schließlich versuchte er nur noch, die Schweißtropfen aus den Augen zu schütteln. Den Bauern juckte es in den Fingern.
    »Lass ihn«, sagte Felsen leise und tastete sich hangabwärts zum Straßenrand vor. »Lass es ihn machen.«
    Wenig später gingen Felsen und Abrantes links und rechts neben dem Wagen vorbei, ohne den Fahrer auf der Stoßstange zu beachten. Felsen nickte dem Bauern zu.
    »Posso?« , fragte der Bauer den Engländer. Darf ich?
    Der Agent gab ihm die Axt und spürte gleich darauf den warmen Lauf von Felsens Walther P48 hinter dem Ohr. Abrantes nahm dem zitternden Engländer den Revolver ab. Als er sich umdrehte und den Deutschen sah, konnte er ein Aufblitzen des Wiedererkennens in seinen Augen nicht verbergen.
    Der also, dachte Felsen mit brennenden Augen, Laura van Lenneps Freund, der sich geweigert hatte, ihm die Hand zu geben. Wie hieß er noch? Edward Burton.
    Abrantes befahl dem Fahrer des Mannes, seinen Leuten zu helfen, den Baum von der Straße zu schaffen, und führte Burton zur Rückbank seines Wagens. Felsen setzte sich hinters Steuer. Sie hielten bei Abrantes’ Haus und luden einen Stuhl, einen Strick und eine Flasche kühlen bagaço aus dem Keller ein, bevor sie zu einer leer stehenden Mine in den Hügeln bei Amêndoa fuhren, wo das Wolfram-Flöz nach etwa dreißig Metern geendet hatte. Im Kofferraum des Wagens waren ein Kohlenrost, Holzkohle und ein paar chouriços . Abrantes spritzte den Alkohol des bagaços über die Kohle und entzündete ein Feuer. Felsen durchsuchte Burtons Aktenkoffer und fand mehrere Bündel mit Geldscheinen im Wert von insgesamt 500000 Escudos sowie einen noch nicht unterzeichneten Vertrag mit einer Schürfgesellschaft in Penamacor über achtzig Tonnen Wolfram. Seine Kehle war immer noch trocken, doch es gab kein Wasser, sodass er einen Schluck kalten bagaço hinunterkippte und sich mit dem Ärmel den Mund abwischte.
    »Haben Sie Laura je wieder gesehen?«, fragte Felsen auf Englisch, während er den Vertrag durchblätterte.
    »Das Chave d’Ouro«, sagte Burton tonlos.
    »Hat sie ihr kostbares Visum bekommen?«
    Burton starrte in seine

Weitere Kostenlose Bücher