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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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beobachtet einen, um sicherzugehen, dass sie das sagt, was man hören will. Sie schwärzt ihren Dozenten an, zieht Catarina in den Schmutz, und dann kommt sie uns mit …« Er setzte eine weinerliche Stimme auf. »›Wenn man Catarina verstehen wollte, musste man sie singen hören. Sie hatte einen direkten Draht zum Schmerz.‹ Und Sie können darauf wetten, dass sie sich das nicht mal selbst ausgedacht hat. Bah! Sie sind alle gleich.«
    »Wer?«
    »Mittelklasse-Mädchen. Die haben gar nichts. Dumme hohle Gänse.«
    »War Catarina auch eine dumme, hohle Gans?«
    »Sie muss mehr gehabt haben als alle anderen zusammen … deshalb steht jetzt auch jeder Schlange, um sie mit Dreck zu beschmeißen und uns zu erzählen, was für eine kleine puta sie war, aber bisher haben wir unter den Menschen, mit denen sie Umgang hatte, noch keinen getroffen, der mehr als fünf tostões wert ist.«
    »Sie wollen ihren Mörder also finden ?«
    »Ja. Irgendwas verkehrt daran?«
    »Ich wollte mich nur vergewissern.«
    »Wenn sie allerdings eine chata wie Teresa Carvalho gewesen wäre …«
    Der Jardim da Estrela glitt dunkel, kühl und beruhigend an uns vorbei. Wir passierten die Basílica und begannen den Aufstieg auf den Hügel von Lapa, das Viertel der Botschaften und Refugium alten Geldes mit Blick über die Docks von Alcântara, wahrscheinlich damit die Reichen ihr Geld hereinkommen sehen konnten. Wir parkten an einem Platz vor einem alten Wohnhaus mit Blick auf einen verfallenen palácio mit einem Gerüst und einer am Haupttor angeschlagenen Baugenehmigung der Stadt Lissabon.
    Wir klingelten. Keine Antwort. Auf der anderen Seite des Zaunes jätete ein Gärtner Unkraut.
    »Das ist der Palácio do Conde dos Olivais«, erklärte ich Carlos. »Seit ich mich erinnern kann, ist er verrammelt und liegt in Trümmern.«
    »Sieht so aus, als würde er restauriert.«
    Ich rief den Gärtner, einen alten dunkelhäutigen Mann mit dem Gesicht eines Esels. Er unterbrach seine Arbeit, lehnte sich an den Zaun und nahm die Zigarette aus dem Mund, die schon vor geraumer Zeit ausgegangen war.
    »Es wird ein Bordell«, sagte er.
    »Tatsächlich?«
    »Wissen Sie, was man für ein gutes Bordell braucht?«
    »Hübsche Mädchen vielleicht.«
    »Jede Menge Zimmer. Der Kasten ist perfekt«, sagte er und lachte asthmatisch, bevor er sich das Gesicht mit einem dreckigen Lappen abwischte. »Nein. Es wird einer dieser exklusiven Klubs für reiche Leute, die nicht genug Einfälle haben, wie sie das Geld ausgeben können, das sie unter ihrer Matratze verstecken.«
    Carlos lachte knurrend und drückte erneut auf die Klingel. Keine Antwort. Der Gärtner zündete seine Zigarette wieder an.
    »Hier haben im Krieg die Nazis gewohnt«, sagte er. »Und als sie verloren hatten, haben es die Amerikaner übernommen.«
    »Ziemlich groß für einen Klub.«
    »Es sind ernsthafte Menschen … die Reichen. Sagt man jedenfalls.«
    Schließlich meldete sich über die Gegensprechanlage eine sehr leise, zittrige und deshalb unverständliche Frauenstimme. Nach der fünften Erklärung ließ sie uns rein. Wir stiegen die Treppe zum zweiten Stock hoch. Eine Frau in einer dicken grünen Strickjacke und einem Tweed-Rock öffnete die Tür. Sie hatte schon wieder vergessen, wer wir waren, und als wir es erneut erklärten, meinte sie, sie hätte die Polizei nicht gerufen, weil nichts passiert sei. Mit zittriger Parkinson-Hand wollte sie die Tür gerade wieder schließen.
    »Das ist schon okay, Mama«, sagte eine Stimme hinter ihr. »Sie wollen mich sprechen. Kein Grund zur Sorge.«
    »Ich habe das Mädchen zum Einkaufen geschickt, und sie kommen immer, wenn sie nicht da ist, und dann muss ich aufstehen und die Tür öffnen, dabei verstehe ich kein Wort aus dem …«
    »Das ist schon in Ordnung, Mama. Das Mädchen kommt gleich zurück.«
    Wir folgten der Frau, die am Arm ihres Sohnes ins Wohnzimmer schlurfte. Die Wände waren von oben bis unten mit Bücherregalen bedeckt, der Raum zwischen Regal und Decke wurde von weiteren Fächern mit Zeichnungen, Gemälden, Skizzen und Aquarellen eingenommen. Der Junge brachte die Frau an einen Tisch mit einem großen Kristallglas und einer Karaffe mit einer Flüssigkeit, die die Farbe von Portwein hatte, dann führte er uns in sein Zimmer. Er hatte langes, glattes, in der Mitte gescheiteltes Haar und ein trauriges Gesicht, trug Jeans und T-Shirt. Sein mimisches Repertoire war begrenzt, und er öffnete beim Sprechen kaum den Mund. Seine Wände waren mit

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