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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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weiteren ungerahmten Zeichnungen und Skizzen tapeziert.
    »Wer ist der Künstler?«, fragte Carlos.
    »Meine Mutter war Galeristin … das ist der Rest ihres Lagers.«
    »Sie sieht krank aus.«
    »Sie ist krank.«
    »Hast du mit Valentim gesprochen?«
    »Er hat angerufen.«
    »Wann hattest du das letzte Mal Sex mit Catarina?«, fragte ich, und Carlos zuckte zusammen, als müsste er die Frage beantworten.
    Bruno machte einen Schritt zurück und strich sich das Haar über die Schulter. Seine Hände flatterten wie erschreckte Vögel.
    »Was!«, sagte er, und sein Mund öffnete sich ein wenig weiter als sonst, für seine Verhältnisse so expressiv wie »Der Schrei« von Munch.
    »Du hast mich verstanden.«
    »Ich habe keinen …«
    »Da sagt Teresa Carvalho aber etwas anderes. Du, Valentim und die halbe Universität.«
    Er wirkte schon jetzt gebrochen wie eine Spinne, die ihr Skelett nach außen trägt. Vielleicht hatte Valentim ihn auf irgendwas vorbereitet, aber nicht darauf. Er schluckte.
    »Und wir wollen auch nicht Valentims Drehbuch hören«, sagte ich. »Wir ermitteln in einem Mordfall, das heißt, wenn ich nur zwei Sekunden lang glaube, dass du lügst und die Arbeit der Justiz behinderst, kann ich dich fürs Wochenende runter in die tacos bringen lassen. Bist du schon einmal dort gewesen?«
    »Nein.«
    »Weißt du, was das ist?«
    Schweigen.
    »Zuhälter, Prostituierte, Dealer, Betrunkene, Fixer, Taschendiebe und andere ausgewählte Kriminelle, die zu gewalttätig sind, um sie wieder laufen zu lassen. Kein Tageslicht, keine frische Luft. Und zum Essen Schweineschleim. Das mache ich eiskalt, Bruno. Das Mädchen kann sich um deine Mutter kümmern, sodass ich deswegen kein schlechtes Gewissen habe. Also, vergiss Valentim … und erzähl uns, was los war.«
    Er trat ans Fenster und wandte den Kopf, um über den palácio hinweg auf den durch die Bäume schimmernden Tejo zu blicken. Er sah nicht aus, als müsste er lange überlegen.
    »Freitagmittag«, sagte er zu der Fensterscheibe.
    »Wo?«
    »Die Pensão Nuno … irgendwo in der Nähe der Praça da Alegria.«
    »Um wie viel Uhr?«
    »Zwischen eins und zwei.«
    »Wurden Drogen konsumiert?«
    Bruno wandte sich vom Fenster ab und setzte sich aufs Bett.
    »Wir haben jeder eine Ecstasy-Tablette genommen und einen Joint geraucht.«
    »Von wem waren die Drogen?«
    Er antwortete nicht.
    »Wir wollen niemand wegen Besitz oder Verkauf von Drogen belangen«, sagte ich. »Ich will bloß ein klares Bild der Ereignisse haben. Ich möchte jede Minute dieses Tages so deutlich vor mir sehen, als hätte ich ihn selbst durchlebt. War es Teresa Carvalho?«
    »Valentim«, sagte er.
    »Valentim war auch da?«, fragte Carlos.
    Der Junge nickte, den Blick zu Boden gerichtet.
    »Ihr beide wart zusammen da … und hattet Sex mit dem Mädchen?«
    Bruno griff sich an die Stirn, als wollte er die Erinnerung herauspressen.
    »Wie ist es dazu gekommen?«
    »Valentim hat gesagt, sie würde darauf stehen.«
    »Stimmte das?«
    Er breitete die Hände aus und zuckte die Schultern.
    »Und wer von euch hatte Analverkehr mit ihr?«
    Er hustete, halb schluchzend, halb würgend, faltete die Hände über dem Kopf und beugte sich in der Position nach vorne, die bei Flugzeugabstürzen empfohlen wird, ganz so, als erwartete er einen heftigen Aufprall.

15
    Samstag, den 13. Juni 199–,
    Odivelas, Lissabon, Portugal
     
    Ich setzte Carlos und Bruno vor dem Polizeigebäude in der Rua Gomes Freire ab, damit Carlos Brunos Aussage zu Protokoll nehmen konnte, und fuhr zurück nach Odivelas, um Valentim abzuholen.
    In dem Wohnblock hatten sich ein paar Dinge verändert. Das Leben war einen Zentimeter weiter gegangen, andere Fernsehprogramme kreischten, Techno-Musik hallte durchs Treppenhaus, und die Wände strahlten eine Hitze ab, als hätte der Kasten Fieber.
    Die Zecke öffnete die Tür und drehte sich wortlos um. Wieder klopfte er im Vorbeigehen an Valentims Tür und ging weiter in die Küche, wo er nach einer Flache Sagres griff.
    »Polizei«, brüllte er über den Flaschenhals hinweg und kippte dann das Bier in sich hinein.
    Im Türrahmen tauchte Valentims Mutter auf. Ich hämmerte gegen die Papptür, bis Valentim sie aufriss.
    »Wir fahren«, sagte ich. »Du brauchst nichts mitzunehmen.«
    »Wohin bringen Sie ihn?«, kreischte die Mutter.
    »Nach Lissabon.«
    »Was hat er getan?«, fragte sie, drückte sich am Türrahmen ab und kam den Flur hinunter auf mich zu.
    Die Zecke blieb in der Küche, trank Bier,

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