Tod in Seide
annahm, zu einem Telefon an der Ecke. Die anderen beiden kamen zu mir her und waren dicht hinter mir, als ich zu Mercer zurücklief.
Ich setzte mich neben seinen reglosen Körper auf den Boden und versuchte herauszufinden, wo er getroffen war. Er schlug die Augen auf und folgte meinen Handbewegungen mit seinen Blicken.
»Scheiße«, sagte ich zu mir und zu den Jungs, die hinter mir standen und denen es angesichts des toten Mädchens und des sterbenden Polizisten die Sprache verschlagen hatte. »Seid ihr sicher, dass euer Freund den Notruf erledigt? Einer von euch sollte vor die Tür gehen, damit uns der Streifenwagen gleich findet.« Ich bellte Kommandos wie ein General. »Los, geht hinüber zur Tenth Avenue. Haltet irgendjemanden an, der uns helfen kann.«
Einer der Jungs fuhr davon, aber der andere sah fasziniert zu, als ich das Revers von Mercers Jacke zurückschlug und das Einschussloch sichtbar wurde. Die Kugel hatte ihn auf der linken Seite gefährlich nah am Herzen getroffen.
»Schlecht«, nuschelte Mercer, als ich mein Ohr an seinen Mund legte, um ihn besser hören zu können. Er bewegte die Lippen und wollte noch etwas sagen, doch es gelang ihm nicht. Er drehte den Kopf weg und schloss die Augen.
»Nicht die Augen schließen, Mercer. Bitte lass die Augen offen.« Ich konnte in der Ferne Sirenen hören und betete, dass er bei Bewusstsein bleiben würde. Ich hielt eine seiner kräftigen Hände, streichelte ihm über das Gesicht und den Kopf und versuchte, ihn wach zu halten, indem ich ohne Pause auf ihn einredete.
»Hör mir zu, Mercer«, bettelte ich. »Ich höre eine Sirene. Sie sind unterwegs. In drei Minuten bist du im Vinny’s. Halt durch, Mercer. Du hast diesen Scheißkerl erwischt, jetzt halt durch, bitte.« Das Saint Vincent’s Hospital war nur zehn Blocks entfernt, und die dortige Notaufnahme war auf Schussverletzungen gut eingerichtet. Seine Brust hob und senkte sich, während sein schweres Atmen wie ein Röcheln aus seiner Kehle kam. »Schau mich an, Mercer. Ich bin bei dir. Gib mir eine Chance. Atme für mich.« Ich wischte ihm den Schweiß von der Stirn, der ihm in die Augen tropfte und zu seinem Hals hinunterlief.
Der jüngste der drei Rollerblader kam durch die Tür. »Wir haben ein Feuerwehrauto, ist das gut?«
»Das ist großartig, wunderbar. Hörst du, Mercer? Die Feuerwehr ist schon unterwegs.« Ich drehte mich zu dem Jungen um. »Sag ihnen, dass wir einen Krankenwagen brauchen.« Er verschwand wieder.
Mercer verzog dein und, als ob er zu lächeln versuchte. Ich drückte seine Handfläche an meine Lippen. Ich quasselte was mir gerade im den Sinn kam, um ihn wach zu halten. Ich sprach über Mike und übers Essen und über die Polizei und wie er sich in meinem Haus auf Martha’s Vineyard erholen könne. Als ich gerade zum nächsten Thema wechseln wollte kamen vier Feuerwehrleute in voller Montur in den Raum gestürmt und umringten uns.
Ich stand auf und tat einige Schritte beiseite. Ich sagte ihnen dass Mercer Dective sei und dass aus nächster Nähe auf ihn geschossen und er in die Brust getroffen worden war. Während ich noch redete hielt draußen vor der Galerie ein Krankenwagen neben dem Gerätewagen der Feuerwehr. In dem anschließenden Trubel, als die Sanitäter Mercer an einen Tropf anschlossen und ihn auf eine Tragbahre legten, wurde ich mehr und mehr an den Rand gedrängt. Während ich auf dem Bürgersteig stand, kamen aus beiden Richtungen fünf Streifenwagen in die Straße eingefahren. Sie waren dem Notruf gefolgt den jede Polizist am meisten fürchtete, für sich selbst und für seine Kollegen.
Jetzt war ich nur noch eine von vielen in der immer größer werdenden Menschenmenge.
Keiner der anwesenden Polizisten kannte mich und mein Ausweis und meine Dienstmarke waren in meiner Tasche, die irgendwo in der Galerie auf dem Boden lag. Ich schob die Jungs, die mir geholfen hatten, beiseite und versuchte, den Polizisten zu erklären, wer Mercer war und was passiert war.
Als die Sanitäter die Trage in den Krankenwagen hievten, konnte ich sehen, dass Mercers Augen geschlossen waren. »Ich komme mit« rief ich über die Köpfe der Feuerwehrleute hinweg, die dichtegedrängt um das Auto herumstanden.
»Sorry Lady. Sie müssen uns im Krankenhaus treffen – Seventh Avenue und Eleventh Street.« Einer der Männer kletterte auf den Fahrersitz und der andere schloss gerade eine der Hecktüren.
Ich zwängte mich nach vorne und kletterte auf das Trittbrett. Es hatte keinen Sinn
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