Tod in Seide
so schnell du kannst zur Tür und rufst 1013 an.«
Wenn man auf dem Polizeifunk meldete, dass ein Polizist Hilfe brauchte, bedeutete das überall, dass das Leben eines anderen Cops auf dem Spiel stand.
»Nicht ohne …«
»Lass diesen Hollywood-Scheiß, Coop. Wenn ich es dir sage, dann flitzt du los.«
Es hatte keinen Sinn, mit ihm zu diskutieren. Es war eine Entscheidung, die ich treffen musste, falls sich uns überhaupt die Gelegenheit dazu bieten würde.
Mercer stellte sich vor mich und drückte mich flach gegen die Außenwand der Skulptur. Er musste etwas gehört haben, das mir entgangen war. Er horchte in Richtung des Geräuschs, drehte sich halb um die eigene Achse und gab einige Schüsse ab. Dann stellte er sich wieder vor mich und wartete darauf, dass das Feuer erwidert werden würde, während meine feuchten Handflächen auf dem dunklen Stahl Schweißabdrücke hinterließen.
Die gedämpften Schritte waren näher gekommen, und ich konnte hören, wie jemand auf der anderen Seite der Ellipse in unsere Richtung lief.
»Weiter«, signalisierte mir Mercer mit den Lippen, als er kurz zu mir umsah. Wieder fasste er mich am Handgelenk, und wir hechteten um die Skulptur, hinter der wir gestanden hatten, herum, durch sie hindurch und auf der anderen Seite wieder hinaus. Die Kugeln prallten neben uns von den zylindrischen Wänden ab, als wir im Zickzack davonliefen.
Ich verließ mich darauf, dass Mercer den Weg zum Ausgang der Galerie finden würde. Trotz ihrer unterschiedlichen Formen und Kurven sahen die Stahlwände in meinen Augen alle gleich aus. Ihre Größe und Wuchtigkeit erschienen mir nun erdrückend, und ich versuchte, ruhig zu bleiben, während ich hinter Mercer herrannte. Ich betete, dass er wusste, wie wir an diesen riesigen Barrieren vorbei den Weg ins Freie finden würden.
Wieder war es totenstill. Mercer streckte den Kopf vor und lugte um die Ecke, dann sah er mich an und zwinkerte. Seine Lippen formten das Wort »Jetzt«, und er zerrte an meinem Jackenärmel, um mich von sich wegzustoßen. Blind auf seinen Instinkt vertrauend, lief ich los und rannte durch eine Skulptur hindurch. Auf der anderen Seite konnte ich die Tür zur Straße hin sehen. Ich warf einen Blick über meine Schulter, um sicherzugehen, dass Mercer dicht hinter mir war. Stattdessen sah ich, wie sich auf seinem Gesicht Entsetzen breit machte.
»Runter!«, schrie er, als er sah, wie der Schütze zwischen mir und dem Ausgang auftauchte und seine Pistole auf mich anlegte.
Aus beiden Pistolen krachten Schüsse, und jemand schrie vor Schmerz auf. Ich konnte nicht sagen, wer geschrien hatte, aber den Bruchteil einer Sekunde später lief ich in Mercers Richtung.
»Bleib da, Alex. Ich hab’ ihn.« Mercer stürzte mit der Waffe in der Hand der maskierten Gestalt hinterher, die in gekrümmter Haltung auf die Tür zulief und anscheinend das linke Bein nachzog.
Ich beachtete Mercers Anweisung nicht und lief hinter ihm her. Als ich bis auf drei Meter an die Eingangstür herangekommen war, sah ich die Leiche der jungen Frau über einem Ledersessel hängen. Einen Zentimeter neben ihrer gepiercten Augenbraue lief das Blut aus einem Einschussloch in ihrer Stirn. Ich blieb stehen, kniete mich neben sie und fühlte ihren Puls.
Während ich mich hinkniete, bewegte sich Mercer vorsichtig in Richtung der hohen Eisentür, die zur Straße hinausführte. Plötzlich wurde der riesige Galerieraum von Tageslicht überflutet, als die Tür von außen aufgestoßen wurde. Unweit von Mercer war es plötzlich blendend hell. Fast zur gleichen Zeit hörte ich Schüsse. Der Schütze hatte die schwere Eingangstür noch einmal von außen geöffnet und drei Schüsse in die Galerie abgefeuert.
Mercer Wallace sank lautlos zu Boden.
21
Ich nahm Mercers Hand und sprach seinen Namen mit einer flehentlichen Dringlichkeit, die ich an mir noch nie zuvor gehört hatte. Er öffnete die Augen und versuchte zu sprechen, aber er brachte keinen Ton hervor.
»Gott sei Dank«, sagte ich. »Halt durch, Mercer. Ich hole Hilfe.«
Die Tür gab auf meinen Druck hin nach, und ich stand auf der Straße. Drei Jungs waren auf Rollerblades in Richtung Westen zu den Piers unterwegs. Mein Handy war in der Tasche, die ich irgendwo in der Galerie hatte fallen lassen. »Ruft 911 an«, schrie ich ihnen zu. »Bitte ruft 911 an – sagt, dass ein Polizist angeschossen wurde. Bitte! Macht schnell!«
Einer der Jungs formte mit Daumen und Zeigefinger ein O für »Okay« und fuhr, wie ich
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