Tod in Seide
Amateurfilmers sie genervt oder erschreckt hat.
»Keine von ihnen hat gemerkt, was er tat. Jede verließ den Aufzug ohne zu wissen, dass sie auf Film gebannt worden war. Der Sicherheitsdienst schaute sich das Video an. Oberschenkel, Knie, viel Unterwäsche – aber aus der Perspektive kann man niemanden erkennen. Es ist unmöglich herauszufinden, wer die Mädchen sind.«
Ich dachte einen Augenblick nach. »Wie wär’s mit unbefugtem Betreten? Sie könnten argumentieren, dass ihm der Zutritt zum Center verboten war.«
»Geht auch nicht. Er hat den vollen Eintritt bezahlt, und das berechtigt ihn, sich im Gebäude aufzuhalten.«
»Hat er irgendetwas gesagt? Hat er ein Geständnis abgelegt?«
»Ja, er hat sofort alles zugegeben. Ein verheirateter Geschäftsmann aus Connecticut, arbeitet dort bei den Stadtwerken. Er macht das seit einem Jahr, weil es ihn aufgeilt.«
»So viel zum Thema Entwicklungsstörung. Scheint, als ob er nie über die sechste Klasse hinausgekommen ist.«
»Er behauptet, er könne die Videos an eine Website verkaufen. Nennt sich U. S. Videos – die Initialen stehen für ›Up-Skirt‹, den Rock hoch. Er sagt, es gibt viele Videocam-Voyeure. Die Polizisten haben es überprüft. Vierzig Dollar pro Band.«
»Mit genau solchen Aufnahmen?«, fragte ich ungläubig. »Ich bin mir nicht sicher, dass wir Strafanzeige gegen ihn erstatten können. Lass mich mit Mark reden.« Wenn wir in der Prozessabteilung nicht mehr weiter wussten, dann riefen wir normalerweise den Leiter der Revisionsabteilung, unseren hausinternen Gesetzesexperten an. Wir warteten auf seinen Rückruf, mit dem er uns bestätigte, dass uns das Rechtsprechungssystem im Fall des Trekkies keine Handhabe bot. Craig rief von meinem Telefon aus die Sicherheitskräfte an und wies sie an, den Kerl freizulassen. Das Internet entpuppte sich als wahrer Tummelplatz für Perverse, und die Gesetzeshüter hinkten den Cybergeeks immer ein paar Schritte hinterher.
Mike rief mich um halb zwölf von Mercers Zimmer aus an. »Jetzt ist Schluss mit den Chirurgen, die wir gestern gesehen haben. Heute kümmern sich eine Ärztin und eine ganze Horde aufmerksamer Krankenschwestern um Mercer, und er scheint wirklich auf dem Weg der Besserung zu sein. Die Schmerzmittel machen ihn ziemlich schläfrig. Sein Vater möchte heute Nachmittag bei ihm bleiben. Ich mache mich um ein Uhr auf den Weg ins Dezernat. Varellis Assistent kommt zu mir ins Büro. Willst du dabei sein?«
»Unbedingt.«
»Ich komm vorbei und hole dich ab, da ich eh schon in der Nähe bin«, sagte Mike. »Du kannst heute Abend mit mir ins Krankenhaus fahren, und danach können dich dann wieder deine Leibwächter chauffieren.«
Ich rief im Sonderdezernat für Sexualverbrechen an, um mich zu erkundigen, wer die Routinearbeit über den West-Side-Vergewaltiger übernehmen würde, und hörte mit Erleichterung, dass zwei altgediente Detectives und langjährige Kollegen von Mercer mit der Sache betraut worden waren.
Dann ging ich kurz bei Rose Malone vorbei, damit sie sah, dass ich unverletzt war, und um Battaglia zu zeigen, dass mich die Schießerei nicht völlig aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Da ich jetzt Augenzeugin eines versuchten Mordes an einem Polizisten war, wusste ich, dass der Bezirksstaatsanwalt zumindest diesen Teil der Ermittlungen einem anderen Ankläger übertragen würde, für den Fall, dass diese Straftat nichts mit unseren Untersuchungen im Mord an Denise Caxton zu tun hatte.
»Würden Sie Paul bitte fragen, ob er mich ein Wörtchen mitreden lässt, wen McKinney auf den Fall ansetzt?«, fragte ich Rose, nachdem sie mir gesagt hatte, dass Battaglia gerade in die Mittagspause gegangen war.
»Natürlich. Er wird heute sicher nicht mehr dazu kommen. Er muss bis heute Abend noch eine Rede auf Vordermann bringen, und ich glaube nicht, dass er Zeit haben wird, mit Pat McKinney zu sprechen.« Sie sah auf den vollen Terminkalender, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag.
»Großartig. Falls er mich braucht, ich bin im Morddezernat Manhattan Nord.«
Als ich zu meinem Büro zurückging, um meine Fallakte zu holen und auf Chapman zu warten, richtete mir Laura aus, das Marjie Fishman, meine Kollegin in der Staatsanwaltschaft von Queens um meinen Rückruf bat.
»Wie geht es dir?«, war Marjies erste Frage.
Ich versicherte ihr, dass es mir gut ging, und informierte sie kurz über Mercers Zustand.
»Ihr habt keine Rennbahnen in Manhattan, oder?«
»Nein.« Ich sah Mike bei Laura vor
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