Tod in Seide
meinem Büro stehen und winkte ihn herein.
»Nun, dann hör dir das an. So etwas hast du noch nicht gehabt.«
»Das glaub’ ich erst, wenn ich’s höre.« Es gab Tage, an denen meine Kollegen und ich uns sicher waren, dass es nichts mehr gab, was uns schockieren könnte. Und dann passierte prompt etwas, das uns vom Gegenteil überzeugte.
»Letzten Montag wurde draußen auf der Aqueduct-Rennbahn ein Streifenpolizist mitten in der Nacht Zeuge einer intimen Begegnung zwischen einem Stallburschen und einem Pferd. Der Name des Angeklagten ist Angel Garcia. Der Polizist hörte einen lauten Bums. Es war das Geräusch, als der nackte Garcia von dem Plastikeimer fiel, auf dem er gestanden hatte.«
»Wie geht’s dem Pferd?«
»Der Tierarzt sagt, es geht ihm gut. Wenn du auf dem Weg Uptown an einem Wettbüro vorbeikommst, dann sag Mike, er soll sein Geld auf Saratoga Capers setzen. Nachdem es der Arzt gründlich untersucht und ihm ein einwandfreies Zeugnis ausgestellt hatte, wurde unser Pferd letzten Freitag Dritter. Sein bestes Rennen seit Wochen.«
Ich legte auf und schüttelte belustigt den Kopf, obwohl mir das arme Tier Leid tat. Zum Glück gab es Gesetze gegen unmenschliche Behandlung von Tieren, und Marjies Abteilung für Sexualverbrechen erhob gegen Garcia wegen der Misshandlung von Saratoga Capers Anklage.
Mike lachte laut auf, als ich ihm die Geschichte erzählte. »Stell dir nur mal vor, du würdest eine Zelle mit Angel Garcia teilen. Jeder andere Gefangene hat Poster von Cindy Crawford, Julia Roberts oder aus dem Playboy an den Wänden hängen. Doch unser Angel hat riesige Pin-Ups von Trigger und Mr. Ed. Stell dir das mal vor. Jetzt komm, Blondie. Lass uns von hier abhauen.«
»Warte mal. Hat sich eigentlich irgendjemand diesbezüglich um Omar Sheffields Background gekümmert?«
»Was meinst du? Unzucht mit Pferden?«
»Knastbrüder – worüber du gerade deine Witze gerissen hast. Als Omar in Upstate New York im Gefängnis saß, mit wem teilte er sich da die Zelle? Haben wir die Namen?«
Mike blieb stehen und kam dann zurück an meinen Schreibtisch. »Ich glaube nicht, dass ich diese Frage je gestellt habe. Wahrscheinlich hat das keiner.« Er rief im Dezernat an und erreichte Jimmy Halloran, einen milchgesichtigen Polizisten, der seit über einem Jahrzehnt bei der Mordkommission arbeitete, aber aussah, als ob er noch zur High School ginge. Wegen Mercers Ausfall war Jimmy letzte Nacht als Verstärkung zum Caxton-Team gekommen. Es ärgerte ihn jedes Mal, wenn ihn Mike mit seinem Spitznamen anredete, den ihm das Team gegeben hatte – Kid Detective.
»Hey, K. D.«, sagte Mike. »Schau dich mal auf dem Schreibtisch des Lieutenants nach der Akte Omar Sheffield um. Du weißt schon, der Junge, der nicht auf seine Mutter gehört und auf den Gleisen gespielt hat. Sieh nach, ob irgendjemand die Namen seiner Knastbrüder im Staatsgefängnis vermerkt hat. Coop und ich sind auf dem Weg ins Dezernat. Wenn du in der Akte nichts findest, dann ruf bitte den Gefängnisdirektor in Coxsackie an und frag ihn. Und falls sie einen Beweisaufnahmeantrag brauchen, dann ruf Coopers Sekretärin an, damit sie uns einen faxt. Mach dich nützlich.« Er legte auf.
»Wo hast du geparkt?«, fragte ich.
»Hinter dem Gericht, auf der Baxter Street.«
»Gut. Lass uns durch den Hintereingang verschwinden. Je weniger Leuten ich über den Weg laufe, umso besser.« Wir gingen die Treppe hinunter, fuhren mit dem Aufzug vom siebten Stockwerk ins Erdgeschoss und gingen vorbei am Anklageerhebungstrakt und dem Wanzenlager, wie die Snack Bar liebevoll genannt wurde, zum Hinterausgang. Es war noch eine halbe Stunde bis zur Mittagspause, also schafften wir es, ins Freie zu gelangen, ohne aufgehalten zu werden.
Als wir im Morddezernat ankamen, nahm Jimmy Halloran seine Beine vom Schreibtisch, stand auf, um uns zu begrüßen und deutete auf einen jungen Mann, der an einem Tisch auf der anderen Seite des Zimmers saß und eine Zeitung las. »Das ist eure Verabredung für ein Uhr. Der Typ aus Varellis Studio. Und was die Namen angeht, die ihr haben wolltet – der Gefängnisdirektor sagte, dass Omar Sheffield einige Zeit in Einzelhaft war.« Halloran sah auf seine Aufzeichnungen. »Insgesamt hatte er während seiner Gefängniszeit drei Mitbewohner. Kevin McGuire, der vor allem Einbrüche machte, und Jeremy Fuller, der einem Spitzel Heroin verkauft hat. Sie sind beide noch im Gefängnis.« Wieder schaute er auf seinen Notizblock. »Der Dritte heißt
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