Tod in Seide
einzige Mann in ihrem Leben, aber ich kämpfte schwer um diese Position.« Er stand auf und ging ans Fenster. Er sah hinaus und sagte einige Sekunden nichts. »Ich hatte Denise gefragt, ob sie mich heiraten wolle.«
»Aber sie war doch noch nicht einmal geschieden«, sagte Mike.
Mattox lehnte sich gegen das Fensterbrett. »Sie haben Recht, aber ich drängte sie, die Scheidung schnell über die Bühne zu bringen. Ich wollte, dass sie aufhörte, sich mit Lowell zu streiten, und dass sie ihn einfach verließ. Offen gesagt machte mich allein der Gedanke krank, dass sie noch immer unter einem Dach mit ihm wohnte. Ich habe zwar nicht die Kunstsammlung ihres Mannes, aber abgesehen davon gab es keinen Wunsch, den ich ihr nicht erfüllt hätte.«
»Kennen Sie den Grund, warum sie Lowell nicht einfach verlassen hat?«
»Den wahren Grund? Wahrscheinlich kenne ich den nicht. Keiner der Gründe, die sie mir nannte, ergab für mich einen Sinn. ›Hab Geduld‹, sagte sie. ›Dräng mich nicht.‹ Sie hatte ihren eigenen Kopf, was das anging, und ich war bis über beide Ohren verliebt, also ließ ich sie machen. Es war das Einzige, worüber wir gestritten haben. Und streiten konnte sie«, fügte Mattox hinzu, den der Gedanke daran beinahe zu amüsieren schien.
»Wie meinen Sie das?«
»Deni war eine Kämpferin. Sie sah so weich, so zerbrechlich aus. Aber sie hatte einen eisernen Willen, und wenn ihr etwas wichtig war, dann ging sie dafür auf die Barrikaden. Diese Eigenschaft wusste jeder, der sie gut kannte, an ihr zu schätzen, und es war diese zähe Loyalität, die sie zu einem wirklich guten Freund machte.« Er nahm ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und hielt es vor den Mund, während er sich räusperte. Dann presste er das Tuch gegen die Augen. »Ich muss dauernd daran denken, wie sie gestorben ist. Ich weiß, dass sie sich gewehrt haben muss.«
So viele Opfer einer sexuellen Straftat haben mir beschrieben, wie sie auf den Angreifer reagiert haben. Die meisten gaben nach, sobald der Täter sie verbal oder mit einer Waffe bedrohte. Andere wehrten sich, manche davon erfolgreich. In vielen Fällen brachte der Widerstand den Angreifer nur noch mehr auf, und er wurde gewalttätiger, was oft zu schweren Verletzungen, manchmal sogar zum Tod der Frau führte. Niemand konnte beurteilen, weder im Voraus noch im Nachhinein, welche Entscheidung, die eine Frau in Sekundenschnelle treffen musste, in der jeweiligen Situation die richtige war.
Mike versuchte, die Unterhaltung auf Themen zu lenken, die für ihn von Interesse waren.
»Wie gut kennen Sie Lowell Caxton?«
»Nur flüchtig. Ich kenne ihn seit Jahren. Beruflich hatte ich nie mit ihm zu tun, aber wir haben hier in der Stadt in denselben Kreisen verkehrt. Er hat sich mir gegenüber immer wie ein vollendeter Gentleman verhalten.«
»Und Deni gegenüber?«
»Ehrlich gesagt glaube ich, dass ich ihn viel besser verstanden habe als sie. Ich war der Ansicht, dass sie kein Recht hatte, ihm die Kunstwerke wegzunehmen, die seit Generationen im Besitz seiner Familie waren. Das war nicht Denis attraktivste Seite, wie Sie mittlerweile wohl wissen.«
»Was wissen Sie über ihre Angst, dass er sie umbringen lassen wollte?«
Mattox runzelte ob dieser Vermutung die Stirn. »Damals hielt ich das für absurd. Jetzt macht es mich beinahe verrückt, wenn ich daran denke. Lowell könnte es wohl genauso gut gewesen sein wie jeder andere.« Er sah Mike an. »Ich beneide Sie nicht um Ihren Job, Detective. Ich habe vor kurzem einen Artikel in der Zeitung gelesen. Darin hieß es, dass es in den Vereinigten Staaten mehr Mörder als Ärzte gibt. Mehr Mörder als Universitätsprofessoren. Das muss man sich mal vorstellen.«
Er beantwortete noch über eine Viertelstunde lang Fragen über die Ehe der Caxtons, bis Mike von diesem Thema abließ und Bryan Daughtry erwähnte.
»Ich konnte ihn nie gut leiden, Mr. Chapman. Es war ein Hauptstreitpunkt zwischen Deni und mir. Jedes Mal, wenn wir ernsthaft über unsere Zukunft redeten, machte ich deutlich, dass darin kein Platz für Daughtry sei. Er ist ein verabscheuungswürdiges Stück Dreck.« Mattox ging am Fenster entlang und fuhr dabei mit dem Finger über das Fensterbrett. »Warum Ihre Leute ihn wegen dieses Mordes an dem skandinavischen Mädchen nicht drangekriegt haben, werde ich nie verstehen. Er kann machen, was er will, er fällt jedes Mal wieder auf die Füße. Allein der Gedanke daran macht mich krank.«
»Sind Sie manchmal in ihrer neuen
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