Tod in Seide
Nachttisch, während wir es uns am Krankenbett gemütlich machten.
Chapman griff nach der Fernbedienung, die an einer Schnur an Mercers Bettgestell hing, und richtete sie auf den kleinen Fernseher, der in einem Eck des Raumes aufgehängt war.
»Zu früh.« Mercer lachte. Es war erst fünf nach halb sieben, und er dachte, dass Mike den Kanal suchte, auf dem Jeopardy! lief. »Sagt mir, was es Neues gibt.«
Mike zappte durch die Kanäle, bis die NBC-Nachrichten auf dem Bildschirm zu sehen waren. »Willst du nicht Coopers Typen sehen? Ist er heute live auf Sendung? Hoppla, sieht aus, als ob Brian Williams heute der Anchorman ist.« Er stellte den Ton ab und erkundigte sich nach Mercers Befinden.
»Ich kann mich an fast nichts erinnern. Die Schmerzen halten sich in Grenzen, und ich konnte heute Nachmittag sogar für eine Stunde das Bett verlassen. Ich hab’ eine Runde auf dem Gang gedreht.«
»Da ist er!« Mike stand auf und ging direkt unter den Fernseher. »Stell den Ton an, Mercer.«
Jake stand auf der First Avenue vor dem Gebäude der Vereinten Nationen; er war gerade mitten im Satz, als ich seine Stimme hörte: »… nachdem der Außenminister und der Vertreter …«
Mike hielt seinen Kugelschreiber in der rechten Hand und tippte damit auf Jakes Brust auf dem Bildschirm. »Ich hab’s, Mercer. Den Grund, warum du und ich es bei Miss Cooper nie zu etwas bringen werden. Wir haben nämlich nicht die richtigen Krawatten, wenn du weißt, was ich meine? Alle ihre Typen haben diese klitzekleinen, winzigen bescheuerten Tierchen vorne drauf. Erwachsene Männer und sie laufen mit Krawatten rum, auf denen Schäfchen über Zäune springen, Affen von Bäumen hängen, Giraffen ihren Hals recken und kleine Eichhörnchen Nüsse mummeln! Ich würde mich in Grund und Boden schämen, wenn ich in den Abendnachrichten über die Versendung von Truppen in den Nahen Osten sprechen würde und dabei eine dieser französischen Krawatten umgebunden hätte. Wie heißen die gleich wieder, Coop? Hermies oder Hermans oder Ermies oder so ähnlich. Aber, Mercer, es funktioniert . Denn was immer es auch mit diesen Krawatten auf sich hat, jeder der Kerle, der so eine trägt, der kriegt’s besorgt. Hab’ ich Recht, Blondie? Hast du’s schon mal mit einem schlichten Kerl mit einer gestreiften Krawatte probiert? Ich sag’s dir, wenn Alex Trebek mit so einer hereinkommen würde, würde sie sich sofort auf ihn stürzen. Wenn du voraussagen willst, wen Cooper an sich ranlässt, dann sieh dir die Krawatte an. Das, mein Freund, ist meine Erkenntnis des Tages.«
Mercer legte seine Hand auf die Brust. »Bring mich nicht zum Lachen, Mike. Kann mir jetzt vielleicht jemand erzählen, wie es im Fall steht?«
»Als Erstes vergisst du, dass du Alex heute Abend gesehen hast. Pat McKinney setzt ihr ziemlich zu. Er will nicht, dass sie dich besucht, damit ihr euch nicht über den Tathergang unterhalten könnt.«
Mercer sah mich an, um zu sehen, ob Mike Spaß machte. »Mike hat Recht. Pat befürchtet, dass wir uns verschwören und die Tatsachen verdrehen könnten. Ich habe letzte Nacht drei Stunden lang meine Version zu Protokoll gegeben. Ich bin mir sicher, dass man dich auch sofort vernommen hat, sobald du die Augen aufgeschlagen hast. Ich weiß nicht, worüber er sich Sorgen macht.«
»Ja, zwei Typen von der Sonderermittlung waren heute Vormittag als Erstes hier. Sie sagten, dass sie dich in ein paar Tagen nochmals an den Tatort mitnehmen werden.«
»Ja.« Ich hoffte, dass mein unwillkürliches Frösteln bei dem Gedanken daran, noch einmal in die Galerie zu gehen, weder Mike noch Mercer aufgefallen war.
»Das ist ja vielleicht eine gespenstische Ausstellung«, sagte Mike. »Ich war heute früh auf meinem Weg ins Krankenhaus das erste Mal dort. Erinnert mich ein bisschen an diese großartige Orson-Welles-Szene aus Die Lady von Shanghai – die Schießerei im Spiegelkabinett, erinnert ihr euch? Nur, dass die Spiegel fehlten. Hört euch das an.« Mike nahm ein verknittertes Stück Papier aus seiner Hosentasche. »Sie installieren bereits eine neue Ausstellung in der ›Caxton Due‹. Wahrscheinlich brauchte jemand das Garn, um sich einen Pulli zu stricken. Ich zitiere die Beschreibung, die Bryan Daughtry für das New York -Magazin geschrieben hat. ›Die Künstlerin befestigt getrocknete Farbtropfen, Papier- und Haarteile und anderes Trödelzeug auf ihren monochromatischen Leinwänden.‹ Ich freu’ mich schon darauf, wenn dieser Fall erledigt ist,
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