Tod in Seide
ich.
»Du kannst davon ausgehen, dass sie nicht ausgerutscht und hingefallen ist. Was immer es war, das Teil war hart genug, um ihr den Schädel zu zertrümmern. Kann eine Pistole, ein Ziegelstein, ein Stein gewesen sein, aber mit ziemlicher Sicherheit keine Flasche oder so was Ähnliches; in der Wunde sind keine Rückstände oder Splitter. Es war wahrscheinlich ein Streifschlag, aber der war so heftig, dass das subkutane Gewebe von der darunter liegenden Muskelhaut abgetrennt wurde.«
»Und was ist mit den inneren Organen?«
»Fleisher fand nichts Außergewöhnliches. Eine sexuell aktive erwachsene Frau. Das Einzige, was dich interessieren wird, ist, dass an ihren Oberschenkeln in der Nähe des Vaginalbereichs Abschürfungen sind.«
»Davon hat er gestern Abend am Fundort nichts erwähnt«, bemerkte ich.
»Der Doc sagt, das ist normal, wenn eine Leiche so lange im Wasser war. Diese Art der Verletzung – Hautverletzungen und oberflächliche Abschürfungen – sieht man erst, wenn der Körper ausgetrocknet ist.«
»Handelt es sich bei den Druckstellen, die ich gesehen habe, um Fingerabdrücke?« Ich fragte mich, ob die Abschürfungen von einer versuchten Vergewaltigung herrühren könnten.
»Sieht ganz danach aus. Du kannst dir ja dann in Ruhe die Nahaufnahmen ansehen.«
»Wie sieht’s mit Verbrennungen von den Seilen aus, mit denen sie angebunden war?«
Chapman beschrieb mir die Obduktionsroutine, wonach Fleisher die Haut direkt unterhalb der Fesselstellen am Handgelenk und an den Fußknöcheln aufgeschnitten hatte, um eine Antwort auf diese Frage zu finden. »Sie hat zu wenig Blut verloren, als dass wir davon ausgehen können, dass sie noch am Leben war, als sie gefesselt wurde. Mit den Seilen wollte man nur sichergehen, dass sie nicht von der Leiter rutschte. Das ist alles bisher. Die Resultate der toxikologischen Tests werden wir erst nächste Woche haben.«
»Gibt es einen Grund zur Annahme, dass diese etwas zu Tage fördern werden?«
»Ja, Fleisher glaubt, dass sie ein Kokainproblem hatte. Ihm gefiel nicht, wie ihre Nasenscheidewand aussah. Vielleicht ist’s auch nur ein weiterer von diesen Uptown-Drogendeals, die bös geendet haben«, sagte Mike. »Sie sah vornehm aus, aber es besteht kein Zweifel, dass sie sich diesen Zucker gern in die Nase schob.«
»Wie geht’s weiter?«
»Gertie bleibt in ihrer Kühlbox, bis wir herausfinden, wer sie ist. Morgen früh werden sich die Zeitungen schon nicht mehr für sie interessieren, und ich werde mich an die Arbeit machen.«
»Ruf mich bitte am Wochenende an, falls es irgendetwas Neues gibt«, bat ich ihn. »Ich werde die meiste Zeit hier im Büro sein, entweder in der Bibliothek oder an meinem Schreibtisch.«
»Soll ich dich später nach Hause fahren?«
»Nein, danke. Mein Jeep steht direkt vor dem Eingang. Ciao.« Ich verabschiedete mich von den anderen an der Bar, nahm meinen Salat und ging über die ruhige Straße zurück ins Büro.
Es war nach Mitternacht, als ich meine Akten einschloss, den Aufzug hinunter ins Erdgeschoss nahm, nach Hause fuhr, den Wagen in der Tiefgarage parkte und mich in meine Wohnung hinaufschleppte. Ich hörte mir die Nachrichten an, die Freunde im Laufe des Tages und des Abends auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen hatten, und machte mir eine Liste der Telefonate, die ich am Samstag erledigen musste. Die meisten meiner Freunde verließen während der heißen Sommermonate am Wochenende die Stadt – sie fuhren zu ihren Häusern am Strand, die ihnen entweder gehörten oder die sie mieteten, sich liehen oder mit jemandem teilten –, und auch ich war ungeduldig, diese Gerichtssache hinter mich zu bringen, damit ich mich einige Tage auf Martha’s Vineyard entspannen konnte.
Ich badete, ignorierte den normalerweise äußerst verlockenden Zeitschriftenstapel neben meinem Bett und las ein Kapitel des Henry-James-Romans Die Gesandten , bevor ich in tiefen Schlaf fiel. Am Samstag Vormittag fuhr ich zu meiner Ballettstunde hinüber zur West Side. Unter der Anleitung von William, dem Balletttrainer, versuchte ich zwei Stunden lang, all die Verspannungen, die sich nach einigen stressreichen Wochen im Gerichtssaal an Schultern, Rücken und Oberschenkeln gebildet hatten, zu lockern. Danach fuhr ich direkt ins Büro, um weiter an der komplizierten Beweisführung, die ich am Montag vortragen musste, zu arbeiten.
Es war schon kurz vor acht Uhr, als ich merkte, wie mir alles vor den Augen verschwamm und meine Konzentration nachließ.
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