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Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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in die S/M-Spiele eingewilligt; als Gegenleistung hatte ihr Daughtry ein Flugticket zurück nach Schweden versprochen.
    In seinem Geständnis beschrieb Gloster eiskalt, wie Ilse Lunen sich selbst die Ledermaske übergezogen und den Reißverschluss des Mundstücks zugemacht hatte. Dann hatte ihr Daughtry befohlen, die Hände auf den Rücken zu legen, ihr Handschellen angelegt und sie hinter einem großen Felsen im Wald niederknien lassen. Danach, so Gloster, hatte der sowieso schon bekiffte Kunsthändler sich noch mehr Koks reingezogen und Ilse zugeflüstert: »Du wirst nach Hause fliegen, versprochen ist versprochen – aber in einem Sarg«, bevor er Gloster befahl, sie mit einem Schuss in den Hinterkopf zu töten.
    »Ende der Geschichte?«, fragte Chapman.
    »Nicht ganz. Gloster sitzt fünfundzwanzig Jahre wegen Mordes ein, aber der Bezirksstaatsanwalt von Westchester County hat es nie geschafft, Daughtry dranzukriegen.« Die Aussage eines Komplizen muss durch zusätzliches Beweismaterial erhärtet werden – es reicht nicht aus, den Mitverschwörer des Mordes anzuklagen. »Es gab niemals einen anderen Hinweis, der Daughtry mit dem Tod des Mädchens in Verbindung gebracht hätte.«
    »Also hat dieser geisteskranke Scheißkerl achtzehn Monate wegen Steuerhinterziehung gesessen, aber jetzt ist er wieder im Geschäft, als ob er ein ganz normaler Typ wäre? Mann, den würde ich mir gerne mal fünf Minuten allein vorknöpfen, während ihr im Auto wartet. Was meinst du, Coop? Kein Verlust für die Menschheit, ich versprech’s dir.«
    Mercer parkte vor der ›Galleria Caxton Due‹, der jüngsten Gründung in Chelsea. Deni und Bryan waren zum Zeitpunkt ihres Todes gerade mit den Vorbereitungen für eine Herbstvernissage beschäftigt gewesen. Da so früh am Tag die meisten Galerien noch geschlossen waren, waren nur wenige Autos und Fußgänger in der Straße unterwegs.
    Mike sah auf das Schild, das unter dem Klingelknopf hing: » Lieferanten bitte den Hintereingang in der Twenty-third Street benutzen. Ich hoffe, damit sind nicht wir gemeint.«
    Da die Vordertür nicht abgeschlossen war, stieß Mike sie auf, und wir traten ein. In dem geräumigen, weiß gestrichenen Erdgeschoss der ehemaligen Autoreparaturwerkstatt deutete nichts mehr auf seinen früheren Verwendungszweck hin. Über die Lautsprecher, die in den Ecken des Raumes unter der Decke angebracht waren, war New-Age-Musik zu hören.
    »Sieht so aus, als ob sie die Ausstellung noch nicht aufgebaut haben.«
    »Mikey, du bist gerade dabei, auf ein Meisterwerk zu treten. Lies das Schild.« Ich deutete auf einen etwa dreieinhalb Meter langen grauen Garnfaden, der nicht weit von meinem linken Fuß am Boden festgenagelt war und mit der Wand ein Dreieck bildete. Mike beachtete mich nicht und ließ stattdessen seinen Blick über die Galerie schweifen, wo überall ähnliche farblose Garngebilde herumlagen, die wie riesige Fadenspiele wirkten. Ich las den Begleittext auf einer Tafel: »Diese Fadenskulpturen verleihen dem Raum den Ausdruck immaterieller Greifbarkeit und fordern den Betrachter auf sich auf die planaren bzw. volumetrischen Komponenten zu konzentrieren. Illusion und Realität sind in diesen sich überkreuzenden linearen Bahnen eng miteinander verwoben.«
    »Das soll Kunst sein?«, entgegnete Mike. »Glaubst du wirklich, irgendein Trottel zahlt Geld für dieses Zeugs? Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie was Nutzloseres gesehen.«
    Bryan Daughtrys Stimme tönte von einem hoch gelegenen Balkon an der Längsseite des hohen Raumes zu uns herab. »An Ihrer Stelle, Detective, würde ich nicht so vorschnell sein. Bevor Sie das da als das absurdeste Kunstwerk bezeichnen, sollten Sie sich vielleicht noch die anderen Stockwerke ansehen. Warum nehmen Sie nicht den Aufzug und kommen hier herauf in mein Büro?«
    »Wenn ich es schaffe, ohne mich in diesem Fadenmist zu erhängen, den Sie Kunst nennen.« Mike verdrehte seine Augen angesichts der bizarren Garnskulpturen, die im Erdgeschoss auf dem ansonsten nackten Boden verteilt waren. Dann drehte er sich zu mir um: »Geh’n wir hoch, Blondie. Vielleicht kriegt er ja einen Steifen, wenn ich mit den Handschellen klimpere. Du bist ihm sicher viel zu alt.«
    Am anderen Ende des weiten Raums gab es einen kleinen Aufzug. Als sich die Aufzugtüren im sechsten Stock öffneten, wurde ich von gleißendem Licht geblendet. Durch die komplett verglaste Südseite des Gebäudes drang die grelle Mittagssonne herein und überflutete ein

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