Tod in Seide
habe gerade van Gogh erwähnt. Sie kennen sicher die Geschichte von der Vase mit acht Sonnenblumen ?«
»Sagen wir so: Wir kennen unsere Version der Geschichte.« Mike bluffte. »Warum erzählen Sie uns nicht Ihre?«
»Heutzutage geht’s auf dem Markt ziemlich rund. Vincent van Gogh malte nur die letzten zehn Jahre vor seinem Tod. Man geht davon aus, dass er 879 Ölgemälde, 1245 Zeichnungen und eine einzige Radierung gemacht hat.« Daughtry sprach nun zu mir, so als ob Mercer und Mike die Sache nicht verstehen würden.
Ich starrte ihn wütend an. »Reden Sie mit den Detectives, Mr. Daughtry. Die machen diesen Job viel besser als ich. Sie sind wirklich ziemlich intelligent.«
»Der ganze Wirbel dreht sich darum, dass heute viele Experten glauben, dass einige der berühmtesten Gemälde und sogar die eine Radierung von van Gogh Fälschungen sind. Genauer gesagt – man vermutet, dass viele seiner Werke in Wirklichkeit von Zeitgenossen gemalt worden sind und dass andere sie dann als ›echte van Goghs‹ ausgegeben haben. Da seine Werke mehr Geld einbringen als die fast jedes anderen Künstlers, ist das natürlich eine ziemlich brisante Angelegenheit.«
»Und Deni?«
»Nun, Deni hatte vor kurzem einem Kunden in Japan die Acht Sonnenblumen verkauft. Sein Name fällt mir gerade nicht ein, aber der ist ja nicht schwer herauszufinden. Jetzt hat er sich an die Regierung der Vereinigten Staaten gewandt …«
Ich unterbrach ihn. »Das kapier’ ich nicht. Anscheinend hat doch dann jeder gefälschte van Goghs, das Musée d’Orsay genauso wie das Metropolitan Museum of Art.«
»Da haben Sie Recht, Miss Cooper, aber der Gentleman behauptet, dass Deni ihm das Gemälde verkauft hat, nachdem sie es zur Überprüfung nach Amsterdam zu den dortigen Kuratoren geschickt hatte und nachdem diese ihr gesagt hatten, dass der Wert des Gemäldes fraglich sei.«
»Das heißt also, nachdem man ihr gesagt hatte, dass es sich um eine Fälschung handelt?«
»Eine Meinung, über die sie sich vehement mit dem holländischen Kultusministerium stritt.«
»Aber anstatt das Ergebnis der Expertise abzuwarten, zockte sie den Kunden dennoch ab«, sagte Chapman. »Wie viel?«
»4,6 Millionen.«
Chapman pfiff durch die Zähne. »Kein schlechter Tagessatz, Bryan. Wie viel davon geht an Sie? Und was wissen Sie über die bundesbehördlichen Ermittlungen bezüglich der Preisabsprachen?«
Daughtry schüttelte den Kopf. »Mit dem van Gogh hatte ich nichts zu tun. Ich bin nur für den Ankauf zeitgenössischer Kunst zuständig.«
Chapman ging in dem kleinen Büro auf und ab, während er immer wieder durch die Scheibe nach unten sah. »Puh, da muss Ihnen die Ledermaske zu fest am Schädel geklebt haben. Dieser Schrott bringt Ihnen doch keine müde Mark ein.«
»Was die Auktionsuntersuchungen anging, da machte sich Deni überhaupt keine Sorgen. Da stand sie drüber – mir wäre es gar nicht eingefallen, das auch nur zu erwähnen. Und was Ihren Geschmack angeht, Mr. Chapman – wenn Sie dieses Garndreieck, das Sie unten gesehen haben, als Schrott bezeichnen, dann interessiert es Sie vielleicht, dass ich das letzte Werk des Künstlers – Rotes Garn als Hälfte eines Achtecks – für eine Viertelmillion Dollar verkauft habe.«
»Zweifellos an einen der Yuppies, mit denen Cooper studiert hat. Wann haben Sie Denise Caxton zum letzten Mal gesehen?«
»Das war, glaube ich, Mittwoch letzte Woche, bevor ich in die Hamptons fuhr. Hier war nichts los – im August tut sich in unserer Branche praktisch gar nichts. Ich lud Deni ein mitzukommen, aber sie sagte, sie hätte noch einiges in der Stadt zu erledigen. Ich fuhr am späten Nachmittag hier weg, das war das letzte Mal, dass ich mit ihr gesprochen habe.«
Daughtry schien von Denis Tod mehr mitgenommen zu sein als ihr Mann, aber sein Verhalten konnte auch Folge seiner Nervosität und seines Unbehagens sein.
»Alex, du hast doch ein paar Beweisaufnahmeanträge für Bryan? Würdest du sie ihm bitte geben?« Mike wandte sich wieder an Daughtry. »Wir geben Ihnen ein paar Tage Zeit, um diese Sachen zusammenzustellen. Und noch zwei Dinge. Ich gehe mal davon aus, dass man Ihre Fingerabdrücke genommen hat, als Sie ins Kittchen wanderten, richtig? Die werden wir mit einigen der Beweisstücke vergleichen, die wir bisher gefunden haben. Und Sie werden merken, dass die nächsten Tage ein Streifenwagen vor Ihrer Galerie stehen wird. Nichts – und damit meine ich nichts – geht hier rein oder raus, bevor wir
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