Tod in Seide
Geschworene, Madam? Da haben Sie eine großartige Klage gegen die Stadt in der Hand«, sagte einer von ihnen, während sie mir auf die Beine halfen.
»Mir fehlt nichts«, sagte ich. Ich schüttelte mir ein paar Steinchen aus dem Haar und wischte mir den Staub von der Kehrseite meines hellblauen Kostüms. Meine Unterschenkel waren verschrammt, und ich hatte mir den Ellbogen aufgeschlagen.
»Haben Sie das Kennzeichen gesehen?«, fragt einer der Männer, während Passanten stehen blieben, um zu sehen, was passiert war. »Wir helfen Ihnen mit dem Polizeibericht.«
»Nein, danke. Ich konnte das Nummernschild nicht erkennen.« Aber an das Gesicht des Fahrers konnte ich mich sehr gut erinnern.
»Muss ein Verrückter gewesen sein«, sagte der andere. »Haben Sie gehört, was er gerufen hat?«
Ich schüttelte den Kopf. Aber als ich den Gerichtspolizisten gedankt hatte und weiterging, klangen mir die Worte des Fahrers noch im Ohr: »Aus dir mach’ ich Hackfleisch, du Schlampe.«
16
Ich betrat das Besprechungszimmer, nachdem ich im Erdgeschoss die Sicherheitsschranke passiert hatte. Mike, Mercer und vier sehr zugeknöpfte FBI-Agenten hielten sich mit alten Geschichten und Anekdoten bei Laune, während sie auf mich warteten. Ich brauchte keinen Spiegel, um mir vorzustellen, wie ich aussah; dazu reichte Mikes Gesichtsausdruck.
»Mutter G –, um Himmels willen, was, zum Teufel, ist denn mit dir passiert? Sieht ganz nach ›Berufsunfall‹ aus. Wenn mich jemand so zurichten würde, könnte ich morgen mit Antrag auf Frührente den Dienst quittieren.«
Mercer kam zu mir her, sah sich die Schrammen auf meinem Arm an und fragte, ob ich in Ordnung sei.
»Ja, ich bin auf dem Weg hierher in einem Loch hängen geblieben und hingefallen.«
»All diese Ballettstunden, und du bist wirklich toll auf den Beinen. Du musstest vier Blocks gehen – von welchem Loch sprechen wir da?«
»Ich erklär’s dir später. Lasst uns anfangen.«
»Du erklärst es uns jetzt, Blondie.«
»Ich bin mit jemandem aneinandergerumpelt, der mich nicht mag. Wakim Wakefield, ein vierzigjähriger Exsträfling. Ich hab’ ihm heute Nachmittag sein fünfzehnjähriges Spielzeug weggenommen, und das hat er mir übel genommen.« Ich erzählte ihnen die Kurzversion der Geschichte.
»Noch so einer von diesen beschissenen Kerlen, die auf der Suche nach dem Jungbrunnen sind«, sagte Mike. »Lass uns einen Polizeibericht wegen Unfalls mit Fahrerflucht zu Protokoll geben.«
»Nein«, sagte ich entschieden. »Vergessen wir die Sache einfach. Ich bin nicht verletzt. Bis heute Abend hat er sich schon beruhigt, dann zieht er los und sucht sich das nächste Engelchen. Es muss reiner Zufall gewesen sein, dass er mich auf der Straße sah, und da hat er seine Wut an mir ausgelassen. Ich sag’s euch ja nicht gern, aber einen Streifenwagen hat es noch schwerer erwischt als mich. Wenn mir jemand sagt, wo die Toiletten sind, mache ich mich ein bisschen frisch.«
Da ich sowieso schon zwanzig Minuten zu spät gekommen war, hatte Special Agent Rainieri offensichtlich beschlossen, nicht noch länger zu warten. Als ich zurückkam, antwortete er wohl gerade auf eine Frage, die ihm einer der Detectives gestellt hatte. »Ja, es gab da einen Überläufer. Das brachte die ganze Ermittlung ins Rollen. Es scheint so, als ob er bei einem lukrativen Geschäft übers Ohr gehauen wurde und sich deshalb entschlossen hat, einige der anderen Händler zu verpfeifen. Sinn dieser Ringe ist es, wie Sie wissen, die Preise der Kunstwerke auf den Auktionen niedrig zu halten. Einer von ihnen kauft das Bild auf einer öffentlichen Auktion und verkauft es dann zu einem weitaus höheren Preis – normalerweise an einen privaten Kunden. Den Gewinn teilen sich dann die Mitglieder des Rings.«
»Denise Caxton?«
»Sie machte da auch mit. Vergessen Sie nicht: Wir haben nicht nur die üblichen Geschäftsquittungen und Telefonunterlagen, sondern auch Tonbänder der telefonischen Gebote, die während einer Auktion eingehen. Sowie die Spesenabrechnungen und Kreditvereinbarungen aller Galerien.«
Ich musste Mike daran erinnern, dass, abgesehen von dem gesellschaftlichen Ansehen und den großen Kosten der bedeutenden Auktionen, Kunstobjekte zu den wenigen Gegenständen auf der Welt gehörten, die man von jedem Ort aus und in jeder Währung kaufen konnte.
»Wissen Sie, wer bei diesen Geschäften ihre Partner waren?«
»Das wechselte laufend«, antwortete Estelle Grayson, die einzige Frau unter den
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