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Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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dass er die Rückgabe des vermissten Rembrandts einfädeln könnte. Dafür wollte er die fünf Millionen Dollar Belohnung, die das FBI ausgesetzt hat, und Straffreiheit für sich und seinen Freund. Wissen Sie von den Farbsplittern?«
    Applaus für Joan Stafford. »Sicher«, erwiderte Mike mit stolzgeschwellter Brust. »Ich weiß alles über die Splitter. Diese Arschlöcher haben das Bild direkt aus dem Rahmen geschnitten.«
    »Ja, nun, Youngworth gab einem Bostoner Journalisten ein paar von diesen Farbsplittern, um seine Behauptung zu untermauern. Unsere Experten haben sie unter die Lupe genommen. Sie waren nicht echt, nicht von dem gestohlenen Gemälde. So viel zum Gardner-Fall.«
    »Können Sie uns die Namen Ihrer Experten nennen?«
    »Die habe ich nicht im Kopf, aber wir können Ihnen die Informationen bis morgen beschaffen.«
    Die nächste halbe Stunde waren wir damit beschäftigt, die Unterlagen durchzugehen und herauszufinden, für welche ich zum jetzigen Zeitpunkt eine Einsichtsbefugnis besaß. Um viertel nach sechs schlug Mercer vor, das Treffen zu beenden. »Wir sollten versuchen, vor der offiziellen Besuchszeit um sieben Uhr im Beerdigungsinstitut zu sein. Vielleicht können wir ja mit ein paar von Marco Varellis Freunden oder Verwandten plaudern.«
    Varellis Totenwache fand in einem kleinen, düsteren Beerdigungsinstitut in der Sullivan Street, in dem Block nördlich der Houston Street, statt. Ich hatte schon mal in dieser Gegend zu tun gehabt, da hier Vincent »das Kinn« Gigante gewohnt hatte. Gigante wollte einen auf verrückt machen und ist oft in seinem Bademantel die Straßen auf- und abmarschiert, bis man ihn schließlich vor kurzem doch überführen und ins Bundesgefängnis bringen konnte.
    Ich stieg vor Zuppelos Beerdigungsinstitut aus Mercers klimatisiertem Auto. Es war noch immer brütend heiß. »Ob die einen Fernseher haben?«, fragte Mike.
    »Du wirst dir nicht vor der Trauergemeinde Jeopardy! ansehen«, sagte ich. »Ruf deine Mutter an, wenn wir hier fertig sind und frag sie, was die Antwort war. Du wirst doch mal einen Tag ohne auskommen.«
    Wir stellten uns dem Inhaber des Beerdigungsinstituts vor. »Momentan ist nur Mrs. Varelli hier. Sie sind ein bisschen zu früh dran. Sind Sie Freunde des Verstorbenen?«
    »Entfernte Verwandte«, antwortete Chapman.
    Mr. Zuppelo sah Mike und mich skeptisch an. Als er Mercer Wallace sah, runzelte er die Stirn.
    »Norditalien«, sagte Mike. »Sizilianische Vorfahren.«
    Er zeigte Zuppelo seine Dienstmarke, woraufhin uns dieser in einen schmuddeligen Warteraum führte. Wegen der Hitze war der intensive Geruch der über dreißig Blumengestecke, die sich vor allem aus orangefarbenen Gladiolen und gelben Nelken zusammensetzten, beinahe unerträglich. Der offene Sarg stand in einer Nische auf der gegenüberliegenden Seite des Raums. Daneben saß Mrs. Varelli mit einem Rosenkranz in der Hand. Die Weste ihres grauen Kostüms schien viel zu groß für ihre schmalen Schultern, und sie sah aus, als hätte sie in den letzten vierundzwanzig Stunden nichts anderes getan als geweint.
    Mike stupste mich an und forderte mich auf, sie anzusprechen. »Sieh zu, dass du sie aus diesem Gewächshaus hier rausbekommst. Verschwistere dich mit ihr, Coop. Sei einfühlsam, falls du noch weißt, wie das geht.«
    Ich ließ Mike und Mercer stehen und ging auf die Witwe zu. »Mrs. Varelli, ich bin Alexandra Cooper. Ich …«
    »Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Miss Cooper. Waren Sie mit Marco befreundet?«
    »Eigentlich nein, Mrs. Varelli. Wären Sie so freundlich, mit mir in ein anderes Zimmer zu kommen, und dann erkläre ich Ihnen, warum ich hier bin.«
    »Zweiundsechzig Jahre, Miss Cooper. Nicht eine Nacht getrennt in zweiundsechzig Jahren. Was soll ich bloß ohne ihn tun?« Sie klammerte sich an den Sarg und redete zu ihrem Mann. »Ich bin gleich wieder da, Marco. Ich gehe nur kurz mit dieser jungen Dame mit, um zu erfahren, was sie mir verkaufen will.«
    Ich nahm ihre weiß behandschuhte Hand, die sie mir entgegen streckte, stützte sie am Ellbogen und half ihr beim Aufstehen. »Jeder tut so, als sei ich gerade von Bord gegangen. Was hätten Sie denn gerne, ein Grabmal, eine Eigentumswohnung, ein Rückflugticket nach Italien? Ich bin in Newark, New Jersey geboren und aufgewachsen und habe mein ganzes Leben hier gelebt. Die Leute denken, ich sei dumm. Sie haben Angst, dass ich Marcos Gemälde weggeben oder sein Studio dem Christlichen Verein Junger Männer vererben werde.

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