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Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Liebe zu verraten.
    Jetzt sah ich alle zehn Minuten auf die Uhr und sehnte mich nach Jacob Tyler, den ich vor nicht ganz zwei Monaten, genauer gesagt Anfang Juli, durch einen glücklichen Zufall getroffen hatte. Ich malte mir aus, wie es sein würde, ihn heute Nachmittag wieder zu sehen. Da alles noch sehr frisch war, hatte ich noch immer Herzklopfen, wenn ich an ihn dachte und daran, wie schön es war, mit ihm zusammen zu sein.
    Ich las die Zeitungen, erledigte schnell das Kreuzworträtsel vom Freitag und rief im Büro an, um mich zu vergewissern, dass dort alles ruhig war. Ich konnte nicht kochen, aber ich wusste, wie man auf Vineyard mit wenig Aufwand ein elegantes Essen servieren konnte, und ich wollte mich noch vor Jakes Ankunft darum kümmern. Ein Anruf beim Fischmarkt, wo ich für den späten Nachmittag eine Bestellung aufgab, eine Fahrt zum Lebensmittelladen in Chilmark, um einheimischen Mais und um diese Jahreszeit perfekt gereifte Tomaten zu besorgen, und schon konnte ich mich auf den etwa zwanzigminütigen Weg zum Flughafen machen, um Jake abzuholen.
    Die Ein-Uhr-Maschine von Cape Air aus Boston war der einzige Flug, der um diese Zeit erwartet wurde. Da im Sommer praktisch niemand die Insel an einem Freitagnachmittag verließ, warteten nur noch ein paar Einheimische mit mir auf die neunsitzige Maschine. Das winzige Flugzeug erschien wie ein kleiner Punkt in dem wolkenlosen blauen Himmel und holte in einem weiten Bogen vor der Südküste zur Landung aus. Ich konnte Jakes dichten dunklen Haarschopf sehen, als er auf die Treppe trat, die der Pilot heruntergelassen hatte. Er strahlte übers ganze Gesicht, als er mich hinter dem Maschendrahtzaun auf einer Bank stehen und ihm mit beiden Armen zuwinken sah. Während er an einem Finger der linken Hand seine Jacke über der rechten Schulter trug, warf er mir mit der rechten eine Kusshand zu, sobald er auf dem Rollfeld stand.
    Ich wartete im Empfangsbereich neben der Gepäckablage auf Jake. Er setzte seine Aktentasche ab, begrüßte mich mit »Hallo, mein Engel«, nahm mich bei den Schultern, legte den Arm um meinen Kopf und gab mir einen langen, langen Kuss. Ich schloss die Augen und bewegte mich nicht, um seine Umarmung besser genießen zu können.
    »Ist in deinem kleinen Flitzer Platz für einen Sack dreckiger Wäsche? Für zehn Tage China braucht man ganz schön viel Gepäck.« Jake hatte für NBC über das Gipfeltreffen in Peking berichtet und war insgesamt fast zwei Wochen unterwegs gewesen. Wir hatten vor seiner Abreise ein gemeinsames Wochenende auf Vineyard verbracht, aber seitdem hatten wir auf Grund der Zeitverschiebung und unserer unberechenbaren Tagesabläufe zu meinem Leidwesen praktisch kaum miteinander gesprochen.
    »Ich spiele mit dem Gedanken, meinen Job hinzuschmeißen und eine Wäscherei aufzumachen, und es wäre mir ein Vergnügen, mit Ihrer Wäsche anzufangen, Mr. Tyler.«
    »Eine schlechte Woche gehabt? Ich konnte dich nirgendwo erreichen, egal wo ich anrief.«
    Jake nahm seine Tasche von der Gepäckablage, auf die gerade die Koffer verladen wurden. Während wir zum Auto gingen, trug ich seine Jacke und seine Aktentasche in der einen Hand, und nahm mit der anderen seine linke Hand. »Du bekommst heute Abend einen ausführlichen Bericht. Ich habe Anweisung, mir heute einen freien Tag zu gönnen. Also wenn du mir nichts über das Bruttosozialprodukt oder die Erderwärmung oder den japanischen Rohstoffmarkt erzählst, werde ich dich nicht mit Details aus meinem Mordfall langweilen.«
    »Das langweilt mich gar nicht. Was ist passiert?«, fragte er, während ich seine Tasche im Kofferraum verstaute.
    Ich legte den Zeigefinger an die Lippen, flüsterte »Schsch« und setzte mich hinter das Steuer. »Wir machen einen kleinen Ausflug. Entspann dich und genieß die Aussicht.«
    Wir verließen den Flughafen und fuhren zuerst Richtung Inselinneres. Nach ungefähr zehn Minuten bog ich von der South Road in einen nicht gekennzeichneten Schotterweg ab, dessen Schlaglöcher dem kleinen Auto arg zusetzten.
    »Werde ich gekidnappt?«, fragte Jake und wuschelte mir in den Haaren. »Der Sender wird kein Lösegeld für mich bezahlen, damit du’s nur weißt. Wenn du mich jetzt entführst, hast du mich für immer am Hals.«
    Wir holperten etwa eineinhalb Kilometer über den kurvigen Weg, der zu beiden Seiten mit dichtem Unterholz bewachsen war, bis wir auf offener Flur zu einem Stückchen Zaun zwischen zwei Holzpflöcken kamen. Ich nahm einen Schlüssel aus dem

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