Tod in Wacken (German Edition)
auch noch von Vater Staat bezahlt.«
Lyn war geneigt, sich seiner Meinung – zumindest im ersten Teil – anzuschließen, aber sie lauerte genüsslich auf Thilos Reaktion.
Und die kam prompt.
»Erstens: Die Musik ist mega-geil. Zweitens: Die Karte ist nicht nur einen Abend gültig, sondern für das gesamte Festival, und somit fast geschenkt. Und drittens: Camper, die am Elektrogrill ihre Spießer-Würstchen braten und sich dabei aus ihrem Kofferradio von Hansi Hinterwäldler bedudeln lassen, haben nun mal von wahrer Musik absolut total null Ahnung.«
Jochen Bertholds Kopf verfärbte sich, aber er kam nicht dazu, zu antworten, denn Lukas Salamand riss die Besprechungszimmertür auf und ließ sich auf seinem Platz am Tisch nieder. »Entschuldigt, aber ich hatte gerade ein wichtiges Telefonat. Eine Zeugin hat eine Beobachtung gemacht, die uns vielleicht ein Stück voranbringt.«
Wilfried Knebel blickte ihn auffordernd an. »Und?«
Lukas Salamand sah auf seinen Notizblock. »Karla Reimers wohnt im Nachbarblock des Hauses, in dem Stefan Kummwehl und Manuela Trippek wohnen … oder wohnten. Sie ist am Freitagabend gegen halb neun von der Arbeit nach Hause gekommen, und da ist ihr auf dem Weg zum Haus – der Weg gabelt sich zu beiden Blöcken – ein Mann begegnet. Ganz in Schwarz gekleidet. Mit Kapuzenpulli. Die Kapuze hatte er tief in seine Stirn gezogen.« Er sah auf. »Sie sagt, dass es natürlich auch einer der Bewohner der beiden Blöcke gewesen sein kann, aber auf jeden Fall hat sie ihn vorher dort noch nie gesehen.«
»Ganz in Schwarz gekleidet! Der schwarze Mann.« Lyn sah ihren Chef an. »Und auch zeitlich wäre es perfekt. Darf ich Lurchi begleiten, wenn er die Aussage aufnimmt? Dann können wir die anderen Hausbewohner gleich noch einmal auf Männer dieser Beschreibung ansprechen.«
»Auf jeden Fall«, nickte Wilfried Knebel. »Am besten, ihr erledigt das zu viert. Sonst dauert es zu lange. Thilo? Jochen?«
Thilo sah seinen Chef an. »Äh … mach ich natürlich, auch wenn heute Sonntag ist, aber … eine Frage: Ist mein Kurzurlaub in Gefahr durch diesen Fall? Braucht ihr mich hier die ganze Woche oder kann ich trotzdem ab Donnerstag nach Wacken?« Seine Stimme klang leicht panisch.
»Alle anderen sind ja aus dem Urlaub zurück. Da sehe ich keine Probleme«, beruhigte Wilfried ihn. »Und jetzt ab mit euch. Wenn dieser schwarze Mann unser Mann ist, will ich ihn haben, bevor es zu noch einer Hinrichtung kommt.«
»Wenn ich das geahnt hätte …« Karla Reimers schüttelte betrübt ihren solariumgebräunten Kopf. »Aber hier läuft ja so viel Gesocks rum, da ist es besser, man guckt den Leuten nicht ins Gesicht. Sonst kommen die noch auf komische Gedanken. Außerdem hatte ich ja den Schirm aufgespannt, weil es so gegossen hat.« Sie fuhr sich theatralisch mit ihren Fingern, an denen der knallrote Nagellack absplitterte, durch das Haar.
Gesocks! Du hast es nötig, dachte Lyn, der die Zeugin mit dem blondierten Haar gänzlich unsympathisch war. Karla Reimers hatte sie in ihr kleines, aprikosenfarben gestrichenes Wohnzimmer geführt, das vor Deko und kitschigem Nippes überquoll.
»Haben Sie denn wirklich gar nichts gesehen?« Lukas Salamand klang frustriert. »Trug er einen Bart? Welche Haarfarbe hatte er? War es wirklich ein Mann oder hätte es auch eine Frau sein können?«
Karla Reimers sah ihn mit großen Augen an. »Dieser Mann kam vom Nachbarblock und war noch ziemlich weit weg. Ja, ja, es war auf jeden Fall ein Mann. So läuft keine Frau. Wir laufen viel rhythmischer.« Sie bewegte im Sitzen ihre Hüften und zwinkerte Lukas zu.
Lyn musste sich ein Grinsen verkneifen. Die Endvierzigerin ließ garantiert nichts anbrennen.
Lukas räusperte sich und schwieg.
»Er kam Ihnen also entgegen«, übernahm Lyn das Wort, »und dann?«
»An der Gabelung bin ich nach rechts abgebogen, und er kam ja von links, aber ich habe gesehen, dass er eine dunkle Hose und einen schwarzen Kapuzenpulli trug. Die Kapuze hatte er tief in die Stirn gezogen. Und ein Tuch hatte er sich um den Hals geschlungen, bis über das Kinn. Na, ich dachte ja, das hat er wegen dem Regen gemacht, aber jetzt … Jetzt glaube ich, dass es der Mörder war. Der wollte nicht erkannt werden.«
»Wie groß war er?«
»Na, nicht klein, würde ich sagen, so um die einsachtzig, einsfünfundachtzig, und schlank.«
»Hatte er etwas bei sich? Eine Tasche, einen Beutel?«
Karla Reimers tippte mit dem Zeigefinger fortwährend auf ihre gespitzten
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