Tod in Wacken (German Edition)
Fünftel des Obstes befanden sich auf Sophies Teller.
Lyn orderte einen zweiten Kaffee und lauschte aufmerksam Sophies Geplapper über die Wochenenderlebnisse mit ihrer Freundin Lisa. Sie fühlte förmlich, wie die Anspannung der letzten Tage und insbesondere des heutigen Morgens von ihr wich. Schnell verdrängte sie das jetzt wieder auftauchende Bild der Eltern von Benedikt Claasen, den Schrei der Mutter.
Dies hier war ihre Familie. Und nur die zählte jetzt.
»Wie oft willst du eigentlich noch deine E-Mails checken?«, fragte sie darum Hendrik, der seinen Teller leer geputzt hatte und zu seinem Handy griff. Zum dritten Mal, seit sie hier saßen.
»Du weißt doch, worauf ich warte«, sagte er, tätschelte entschuldigend ihre Hand und blickte auf das Display.
»Worauf denn?«, fragte Sophie, sah dabei allerdings ihre Mutter an.
»Hendrik wartet auf eine Namensliste, die für unseren Fall relevant ist«, antwortete Lyn wahrheitsgemäß. Und mit einem Grinsen für Hendrik: »Allerdings glaube ich nicht, dass er sie vor morgen früh bekommt.«
»Irrtum!«, triumphierte er und richtete sich in dem geflochtenen Stuhl auf. »Der Pastor hat mir geantwortet. Warte … bla … blabla«, überflog er murmelnd die E-Mail von Pastor Höllmann. »Er schreibt, dass er erst heute Mittag von einer Kurzreise zurückgekommen ist. Aber er hat jetzt eine vorläufige Liste mit den Namen zusammengestellt, die ihm selbst bekannt sind. Befindet sich in der Anlage. Die vollständige Liste kommt über die Kirchenverwaltung. Na, dann wollen mir mal sehen …« Hendrik öffnete die Anlage der Mail.
»Meine Güte!«, stieß er aus. »Ist ja unfassbar, wie viele Kirchenvorstandsmitglieder in zwanzig Jahren zusammenkommen.«
»Und?« Jetzt kribbelte es doch in Lyns Bauch. Sie senkte ihre Stimme. »Ist Knuth Meifart dabei?«
»Wie sagt meine Oma gern: Immer langsam mit den jungen Pferden. Schauen wir mal. Egon Burkmann, Hans-Werner Müller, Gisela Lempert, Jörg Zeisig …« Er scrollte sich murmelnd durch die Liste. »Nein«, sagte er schließlich, »kein Meifart bei den Kirchenvorständen. Jetzt kommen schon die Namen der Küster und Organisten. Gunnar Carstens, Oliver Hambach, Michael Ringer, Joost Christensen –«
»Meine Güte«, fiel Lyn ihm ins Wort, »ich dachte schon, als du den Vornamen vorgelesen hast, da steht Joost Beutler.«
»Nein, da steht eindeutig Joost Christensen. Der war – warte, hier steht es – von 1987 bis 1989 Organist in der Kirche.« Hendrik sah auf. »Den Vornamen Joost gibt es allerdings wirklich nicht häufig. Darum fällt er wohl auf.«
»Organist?« Lyn hielt beim Löffeln des letzten Rests Eierlikör aus der Schale inne. »Ist ja ein doller Zufall. Joost Beutler ist Klavierlehrer.«
»Ja, aber er heißt Beutler und nicht Christensen.« Hendrik scrollte sich durch die restlichen Namen der Liste. »Kein bekannter Name dabei.«
Lyn schob die leere Eisschale zur Seite und begann, mit dem Löffel in ihrem Kaffeerest zu rühren. »Beutler war zweimal verheiratet …« Sie sah auf. »Er könnte den Namen seiner Frau angenommen haben. Vielleicht hieß er vorher Christensen.«
»Dann ist der ganz schön blöd«, meldete Sophie sich zu Wort, die natürlich jedes Wort aufgesogen hatte. »Ich finde Christensen viel schöner als Beutler.«
»Da stimme ich dir zu«, sagte Hendrik, trank seinen Kaffee aus und winkte der Bedienung. »Aber deine Mutter könnte tatsächlich recht haben. Und sie wird nicht bis morgen warten wollen, um das herauszufinden. Richtig?«
»Richtig. Und darum machen wir jetzt einen kurzen Abstecher ins Büro. Wenn Beutler seine Ehen hier in Schleswig-Holstein geschlossen hat, haben wir Zugriff auf die standesamtlichen Daten.«
»Und was ist mit mir?« Sophie zog eine Schnute.
Lyn zog an Sophies Nase. »Du kommst mit, Krümel. Denn wahrscheinlich hat der gute unbekannte Herr Christensen einfach nur den gleichen Vornamen wie unser Joost.«
»Cool! Zeigst du mir dann noch mal die Zellen?«
»Vielleicht.« Lyns Blick wechselte auf ultrastreng. »Du vergisst natürlich umgehend alle Namen, die du hier aufgeschnappt hast. Klaro?«
»Das musst du mir nicht jedes Mal sagen, wenn dir schon mal was rausrutscht.« Mit zusammengezogenen Augenbrauen löffelte Sophie zwei Erdbeerstückchen von ihrem Teller. »Ich bin kein kleines Kind mehr.«
»Warum rufen wir nicht einfach Jochen an? Der schiebt doch Dienst«, warf Hendrik ein.
Lyn schüttelte den Kopf. »Der macht doch erst
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