Tod in Wacken (German Edition)
Angst.
»Dein Bruder ist ein schlechter Mensch. Er hat ein Mädchen betäubt und vergewaltigt. Und in den Selbstmord getrieben.«
»Nein! Niemals würde Andy so etwas tun! Was … was reden Sie da?«, schrie und weinte sie gleichzeitig.
»Niemand kann in die Seele des anderen blicken«, sagte er ruhig und strich wieder über ihr Haar. »Andreas ist ein böser Mensch.«
»Sie sind ein böser Mensch! Ein so … böser … Mensch !« Sie spie die Worte aus.
» Ich bin ein böser Mensch?« Er lachte, nicht amüsiert. Seine Augen glitzerten. »Ich töte nicht aus einer Laune, aus einer bösen Seele heraus. Nein.« Seine Stimme wurde lauter. »Ich tue das, was Gott mir aufgetragen hat! Ich bekämpfe das Böse. Das ist gut und gerecht und die Wahrhaftigkeit. Ich habe – Gott weiß es – lange genug versucht, die Menschen mit Worten zu bekehren. Doch sie sind taub. Und darum müssen sie fühlen. Sie brauchen Taten!«
»Binden Sie mich los!« Cornelia schrie wie von Sinnen.
»Es reicht!« Mit drei Schritten war er bei dem hölzernen Regal neben dem Fenster, griff nach einem Kästchen und entnahm ihm eine Mullbinde. »Ich habe kein Klebeband, aber dies hier wird seinen Zweck erfüllen«, sagte er und trat hinter sie. Grob packte er ihren Kopf und erstickte ihre Schreie, indem er die Binde etliche Male um ihren geöffneten Mund wickelte.
Nur noch dumpf klangen die heftigen Laute hindurch.
Er ging ein paar Schritte in den Raum hinein, dann wandte er sich um.
Sie starrten sich an. Cornelia panisch, er überlegend.
»Es gibt eigentlich keinen Grund mehr, deine und meine Nerven zu strapazieren. Du hättest dich vermutlich gern von deinem Bruder verabschiedet, aber ich glaube, dies ist die bessere Lösung.«
Er ging zu dem kleinen Tisch und stellte den CD -Player an. Das Ave-Maria erklang. Dann nahm er die Spritze und kam langsam zurück. Vor ihr ging er in die Hocke. »Wundervolle Klänge, die ich – wie du, Cornelia – geliebt habe. Nur diesen Text verabscheue ich.« Seine Stimme wurde gehässig. »Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus …« Er packte ihren Arm. »Du wirst deinen Bruder im Tode nicht wiedersehen. Denn er wird in der Hölle sein. Aber du nicht, wunderschöne Cornelia. Du bist nicht böse.«
Das nackte Grauen stand Cornelia in die weit aufgerissenen Augen geschrieben, als er die Spritze ansetzte. Der Mull in ihrem Mund absorbierte ihre Schreie fast vollständig. Ihre Todesangst fand den Weg nur in dumpfe Laute, als er den Inhalt der Spritze mit den Worten »Fürchte dich nicht« in ihren warmen Körper pumpte.
»Bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes«, begleitete eine klare Frauenstimme mit den lateinischen Worten Cornelias Reise in die Nacht.
* * *
»Hast du den Staatsanwalt erreicht?«, fragte Lyn ihren Chef, nachdem er seinen Wagen direkt hinter ihrem Beetle in der Wackener Hauptstraße geparkt hatte und ausgestiegen war.
Wilfried Knebel nickte. Er warf einen Blick in die abzweigende Ostlandstraße, an deren Ende Beutlers Haus zu sehen war. »Er ist auf dem Weg. Wie sieht es hier aus?« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Das SEK müsste doch bald hier sein.«
»Beutlers Wagen ist jedenfalls da«, sagte Hendrik. »Ich wäre ja dafür, einfach zu klingeln. Der ahnt doch nichts. Und unsere Waffen haben wir alle dabei.« Seine Hand glitt über das Holster unter seiner Jacke, die er trotz der Wärme übergezogen hatte, damit die Waffe nicht auffiel.
»Auf keinen Fall gehen wir ein Risiko ein«, lehnte Wilfried den Vorschlag ab. »Gefahr im Verzug besteht nicht, also werden wir schön auf die SEK -Kollegen warten. Und da hinten sehe ich doch schon ihren Bus.« Er deutete die Hauptstraße hinunter, auf der die Wagenkolonnen der Abreisenden langsam in beide Richtungen vorbeizogen. Hupend, aus heruntergelassenen Scheiben schreiend und singend, verließ das Metal-Ameisenheer das Areal.
»See you in Wacken, rain or shine. Next year!« , blökte ein desolat aussehender Wikinger aus einem alten Kombi, auf dessen Fahrertür der Wacken-Schädel prangte.
»Eher nicht«, brummte Lyn und blickte dem näher kommenden Kleinbus der SEK -Leute entgegen.
Eine halbe Stunde später stand fest, dass Joost Beutler nicht zu Hause war. Die Räumlichkeiten waren schnell durchsucht.
»Wir geben eine Fahndung raus«, sagte Wilfried, nachdem er das SEK verabschiedet hatte, das umgehend zu einem erneuten Einsatz aufbrechen musste. »Und wir müssen Andreas Stobling sofort
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