Tod in Wolfsburg (German Edition)
recht, und die Beran ist ziemlich
pfiffig. Ich klär das gleich mal, und die Kollegin ruft Sie dann sofort
zurück.«
»Klasse Idee, Reinders. Danke.« Sie sind einfach zu gut zu mir, fuhr
es ihr durch den Kopf, aber sie schluckte den Gedanken gerade noch rechtzeitig
herunter und verdrehte stattdessen nur entnervt die Augen.
Fünf Minuten später, während sie zum Domplatz schlenderte und das
Gespräch mit dem Staatsanwalt sacken ließ, setzte sich Polizeiobermeisterin
Beran mit ihr in Verbindung. Sie klang neugierig und war einer Ausweitung ihrer
üblichen Aufgaben alles andere als abgeneigt. Johanna weihte sie kurz in den
aktuellen Stand der Dinge ein und bat sie, nach Möglichkeit gleich für den
nächsten Tag im Schulzentrum Kreuzheide Gesprächstermine zu vereinbaren und
außerdem herauszufinden, wo Sandra März zurzeit arbeitete. »Letzteres muss ich
möglichst sofort wissen. Ach so, ja, bevor ich es vergesse, bei Waltraud
Milbert können Sie mich auch gleich mal anmelden.«
Die Polizistin rief in erstaunlich kurzer Zeit zurück. »Die März ist
zurzeit bei Wertheim beschäftigt, in der Packhofpassage. Wenn Sie möchten, rufe
ich da gleich mal durch und kündige Ihr Kommen an.«
»Das kann nicht schaden, aber werden Sie nicht allzu konkret.«
»Ich gebe mir Mühe.«
»Davon möchte ich unbedingt ausgehen.«
Johanna drehte sich auf dem Absatz um – das Kaufhaus befand sich in
der entgegengesetzten Richtung – und wäre beinahe mit einer taschenbeladenen
älteren Dame zusammengestoßen, die ihr entschuldigendes Lächeln mit einem
freundlichen Nicken quittierte. Die Welt ist bunt, dachte Johanna. Am
Hermannplatz in Neukölln hätte sie sich höchstwahrscheinlich einen groben
Kommentar oder zumindest einen dummen Spruch anhören dürfen und wäre darüber
nicht einmal sonderlich erstaunt gewesen. Berliner Schnauze, auch bei älteren
Damen. Johanna passierte erneut den Citypoint und betrat wenige Minuten später
das Kaufhaus.
In der Personalabteilung hatte sie sich kaum vorgestellt, und schon
erklärte ihr ein wieselartiger Büromensch mit eisgrauem Haar und ernster Miene
in gedämpftem Tonfall, dass er Bescheid wisse und Wertheim die Arbeit der Kripo
selbstverständlich und überaus gerne unterstütze. Johanna bedankte sich artig,
während er sie in ein Nebenzimmer führte, das offensichtlich als
Aufenthaltsraum genutzt wurde, und um einen Moment Geduld bat. Man würde Frau
März sofort aus der Spielwarenabteilung nach oben zum Gespräch bitten. Johanna
nahm sich vor, Beran bei nächster Gelegenheit zu fragen, was um Gottes willen
sie den Wertheimern erzählt beziehungsweise wen sie angekündigt hatte. Sie
setzte sich ans hintere Ende eines langen resopalbeschichteten Tisches und
legte gerade ihr Notizheft bereit, als die Tür aufging.
Johanna wusste nicht, wen sie erwartet hatte – in der Regel bemühte
sie sich, bei bevorstehenden Gesprächen oder Vernehmungen erst gar keine
Vorstellungen zu entwickeln, aber das klappte nicht immer, wie sich gerade
wieder einmal bestätigte. Sie wusste nur, dass sie sich ein anderes Bild von
einer jungen Kaufhausdetektivin gemacht hatte, die von halbwüchsigen Mädchen
zusammengeschlagen worden war.
Die Frau, die ihr entgegentrat, wirkte weder zart noch verletzlich
oder gar eingeschüchtert. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Sandra März
war sportlich schlank, dabei aber eher eine Vertreterin des kraftvollen Typs –
keine dürre Langstreckenläuferin; sie trug das schwarze gegelte Haar raspelkurz
und Oberlippe sowie ein Ohr waren gepierct. Also, ich möchte nicht von ihr beim
Klauen erwischt werden oder wobei auch immer, dachte Johanna spontan, während
ein dunkles Augenpaar sie abschätzend musterte.
»Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen«, bemerkte die Kommissarin
einleitend und wies auf den Stuhl vor sich.
März trat näher. »Das ist doch selbstverständlich«, sagte sie und
nahm Platz. »Worum genau geht es eigentlich?«
Johanna lächelte. »Was hat man Ihnen denn erzählt?«
Die junge Frau gab das Lächeln nur andeutungsweise zurück. »Wichtige
Ermittlungen, bei denen meine Aussage eine Rolle spielen könnte. Genaueres weiß
ich nicht.« Sie stützte die Unterarme auf den Tisch, streckte kurz die Finger
aus und zog sie sofort wieder zurück. Die Nägel waren abgekaut.
Wie diplomatisch formuliert, dachte Johanna und machte sich in
Gedanken ein Sternchen hinter Berans Namen.
»Nun, wir ermitteln die Hintergründe zweier Unfälle, von denen
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