Tod in Wolfsburg (German Edition)
einer
tödlich ausgegangen ist. In diesem Zusammenhang muss ich verschiedene
Überprüfungen vornehmen – reine Routine, bei der Sie mir helfen können.«
Sandra März verschränkte die Arme vor der Brust. »Aha.«
Auf ihrer Stirn stand in Leuchtschrift zu lesen, dass die
Kommissarin mal langsam in die Hufe kommen sollte, statt dieses allgemeine
Gewäsch von sich zu geben, auf das sie gut und gerne verzichten könnte.
Johanna lächelte erneut. »Sagt Ihnen der Name Philippa Hummel
etwas?«
März wechselte die Gesichtsfarbe. Ein Ruck ging durch ihren Körper.
»Wie? Ich meine … Ähm …«
»Also ja?«
»Ja, nein … Ach … Das war eine ziemlich blöde Geschichte – was hat
die denn damit zu tun?«
Sie ließ die Arme sinken. Sandra März schien mit allem Möglichen
gerechnet zu haben, nur nicht mit dieser Angelegenheit.
»Sie haben vor gut einem Jahr vier Mädchen beim Klauen erwischt,
konnten aber leider nur eines schnappen: Philippa. Am Abend desselben Tages
sind Sie übel zusammengeschlagen worden …«
»Ja – aber nicht von denen. Da habe ich mich geirrt.«
»Sie haben die Anzeige später wieder zurückgezogen.«
März sah kurz auf ihre Hände. »Ja, ich sagte doch – ich habe mich
geirrt.«
»Na schön – dann erzählen Sie doch einfach mal, was an jenem Abend
passiert ist.«
»Was soll die alte Geschichte eigentlich?«
»Das tut im Moment gar nichts zur Sache.« Johanna beugte sich über
den Tisch vor. »Erzählen Sie einfach.«
»Ich bin verprügelt worden. Von mehreren Leuten. Unschön, aber so
was passiert eben. Ende.«
Sandra März starrte an Johanna vorbei. Unschön war ein denkbar
deplatzierter Ausdruck für das, was der jungen Frau widerfahren war.
»Sie wirken sportlich und durchtrainiert. Konnten Sie sich nicht
wehren oder abhauen?«
März rückte ein Stück mit dem Stuhl nach hinten. »Der Angriff kam
sehr überraschend, und es waren mehrere. Außerdem …«
»Ja?«
»Ich bin heute sehr viel durchtrainierter als damals.«
»Ach so, ich verstehe. Heute würden die vier sie also nicht mehr so
ohne Weiteres aufs Kreuz legen, hab ich recht?« Johanna lächelte sanft. »Sie
sind jetzt viel besser auf solche Aktionen vorbereitet. Demnach waren Sie
damals eher so etwas wie ein Weichei? Und das bei Ihrem Job? Sie erlauben, dass
ich meine Verwunderung zum Ausdruck bringe.«
Viel hätte nicht gefehlt und März wäre aufgesprungen. Ihre
Gesichtsfarbe wechselte erneut, aber sie presste die Lippen aufeinander und
schwieg.
»Es waren doch nur vier kleine Schulmädchen«, hob Johanna erneut an.
»Vielleicht haben Sie die Anzeige zurückgezogen, weil es Ihnen peinlich war,
zuzugeben, dass halbe Kinder Sie fertiggemacht hatten.«
»Jetzt reicht’s aber!« März schlug mit der Faust auf den Tisch. »Das
waren weder halbe noch ganze Kinder, sondern brutale Monster!«, entfuhr es ihr.
»Immer drei haben mich abwechselnd festgehalten und eine konnte sich an mir
austoben: Fausthiebe, Tritte, Stockschläge auf jeden nur erdenklichen
Körperteil!« Die junge Frau atmete schnell.
»Und warum sind Sie dann nicht bei Ihrer ursprünglichen Aussage
geblieben?«
»Einige Tage später bin ich vergewaltigt worden. Und massiv
bedroht.«
Plötzlich war es still. Der Teil der Geschichte war neu. Johanna
nickte langsam. Ihr Herzschlag hatte sich beschleunigt.
»Aber Sie kennen keine Namen und könnten beziehungsweise würden auch
niemanden identifizieren?«
März schüttelte den Kopf. »Nein – wie oft soll ich das denn noch
sagen!«
»Sie haben keinen blassen Schimmer, wer dahinterstecken könnte?«
»Genau so ist es.«
»Ich verstehe.«
»Sie verstehen gar nichts, und ich will jetzt gehen.«
Sandra März stand auf, stieß ihren Stuhl zurück und verließ grußlos
den Raum.
5
Die Milberts wohnten in einem schmucken Einfamilienhaus am
Hans-Thoma-Ring. Umgeben von anderen schmucken Häusern, viel Grün und Natur.
Bis zur Schule benötigte man nur einige Minuten zu Fuß, aber City und Werk waren
auch nicht weit. Eine Wohngegend für Lehrer, Angestellte, Gutverdienende – das
war schon damals so gewesen, als Johanna in Kreuzheide zur Schule gegangen war,
weil ihr Vater darauf bestanden hatte. Ein neuer Audi stand vor der Einfahrt.
Johanna ging jede Wette ein, dass sich in der Garage noch mindestens ein
weiteres Fahrzeug befand. Nur kein Sozialneid, tadelte sie sich wortlos und
stopfte die Akte in ihren Rucksack, bevor sie ausstieg.
Die Haustür öffnete sich im gleichen Moment, als sie ihren
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