Tod in Wolfsburg (German Edition)
dem Weg nach draußen, da hat die Kommissarin mich noch nach
Betty gefragt.«
Rabea wandte sich langsam um. Ein warmes Gefühl von Wut quoll in ihr
hoch und breitete sich zitternd in ihr aus. »Und das sagst du erst jetzt?«
»Aber wieso? Karen war in meiner Klasse, Betty ist es auch und … wer
weiß, wen die noch alles zu wem befragen? Einfach so – Routine. Das muss doch
gar nichts bedeuten. Vielleicht …«
Rabea starrte sie an. »Manchmal bist du so bescheuert, dass ich
schreien könnte! Verrat mir eins – wie bist du zu einer Gymnasialempfehlung
gekommen?«
Philippa fing an zu kichern und verstummte abrupt, als Rabea ihr
einen Stoß verpasste. »Halt die Klappe!«
Einen Augenblick lang hörte man nur die Enten und das Wispern des
Schilfs. Rabea sah die beiden Mädchen abwechselnd an. Nellis runde Wangen waren
flammend rot, Philippa gab sich cool unbeteiligt.
»Was genau hat die Kommissarin gefragt?«, hakte Rabea in ruhigerem
Ton nach. »Und wenn ich genau sage, meine ich auch genau, kapiert?«
Nelli nickte eifrig. »Sie hat nur gefragt, ob Karen und Betty
befreundet waren.«
»Und was hast du gesagt?«
»Dass ich das nicht genauer wüsste. Könnte sein, könnte nicht sein.
Und dass Betty heute nicht in der Schule war, das hab ich auch noch erwähnt.«
Rabea fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Lippen und das Kinn.
»Okay. Und dabei bleibst du, verstanden? Und du auch!« Sie sah Philippa an.
»Bloß nicht konkret werden.«
»Natürlich nicht. Schon längst kapiert. Und wie geht es jetzt
weiter? Ich meine …«
»Zurückhaltung ist das Zauberwort«, erklärte Rabea. »Keine Aktionen.
Keine Kontakte. Nichts. Und wenn ich ›nichts‹ sage, dann meine ich auch
›nichts‹. Jedenfalls für den Moment. Wir warten ab, was Lola erzählt, und zu
mir werden sie wohl auch noch kommen. Und dann sehen wir weiter.«
Philippa hob die Hände. »Aber wir könnten doch Betty …« Sie brach
ab, als Rabea sie anblickte.
»Das bereden wir später, wenn wir genauer wissen, was los ist. Und
nun lasst uns verschwinden.«
9
Betty Flint wohnte An der Tiergartenbreite, keine fünf Minuten
mit dem Auto von der Schule entfernt. Lola war in der Allerstraße zu Hause, von
der die Örtzestraße abging: Hier hatte Johanna gelebt. Fast zehn Jahre lang.
Der Krähenhoop, wo Rabea wohnte, befand sich nur wenige Straßen weiter.
»Erst zu Betty, oder?«, fragte Sofia Beran, als sie die Schule
verlassen hatten und in den Wagen stiegen. »Liegt ja direkt auf dem Weg.«
Johanna nickte. »Ja. Halten Sie unterwegs bitte mal an irgendeinem
Kiosk. Ich brauche unbedingt einen kleinen Imbiss.«
Wenig später vertilgte sie einen Schokoriegel und öffnete eine
Kekspackung, während Beran ihr einen prüfenden Seitenblick zuwarf. »Ich hätte
Ihnen auch etwas anderes besorgen können, was Richtiges meine ich …«
Johanna winkte ab. »Nein danke, nicht nötig. Ich bin ein Fan von
Süßkram – gerade und erst recht beim Ermitteln.«
»Ach so.« Das klang nicht sehr überzeugt.
Johanna griente kurz. »Erzählen Sie mal – was ist Ihnen aufgefallen
bei den Gesprächen?«
Beran ordnete sich zum Abbiegen ein. »Tja, ehrlich gesagt: nicht viel.
Ich habe mir die Aussagen der Mädchen direkt nach Karens Tod heute früh noch
mal genau angesehen, nachdem Sie mich angerufen hatten.« Sie zuckte mit den
Achseln. »Keine Widersprüche, keine neuen Darstellungen oder Ähnliches. Nelli
war ziemlich aufgeregt und nervös, aber das ist bei einer polizeilichen
Vernehmung nichts Ungewöhnliches. Philippa wirkte deutlich ruhiger.«
Johanna nickte. Die Fünfzehnjährige war ein apartes Mädchen – wach
und freundlich, höflich und humorvoll. Selbstsicher. Vielleicht eine Spur zu
selbstsicher in Anbetracht der Situation und ihres Alters. »Die Darstellungen
der beiden klangen ziemlich ähnlich – das Treffen am Abend, Aufbruch in die
Disco, Karens Flirt mit dem Jungen, den keine von ihnen näher kannte, ihr
Verschwinden …«
»Na ja – die haben sich mit der Sache natürlich auch immer wieder
beschäftigt, und wahrscheinlich schleifen sich die eigenen Schilderungen
irgendwann ein, und man benutzt sie ohne nachzudenken immer wieder.« Beran
parkte vor einem Reihenhäuschen und stellte den Motor ab. »Erlauben Sie mir
eine Bemerkung?« Sie wandte Johanna ihr Gesicht zu.
»Nur zu.«
»Ich hätte erwartet, dass Sie intensiver nachfragen würden – bei
beiden Mädchen.« Sofia hob rasch die Hände. »Missverstehen Sie mich bitte nicht
– ich
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