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Tod in Wolfsburg (German Edition)

Tod in Wolfsburg (German Edition)

Titel: Tod in Wolfsburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
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Teichbreite, eingezogen. Hier versperrten keine Hochhäuser
den Blick, und man konnte auf Wiesen, Felder, den Allersee und die B 188
gucken, die Wolfsburg und Vorsfelde verband. Eigentlich eine schöne Gegend.
    Die ersten Pläne für das Krähennest hatte sie bereits mit zwölf
Jahren geschmiedet. Damals hatte ihre Mutter mit dem Saufen angefangen, und
irgendwie war dann nach und nach alles aus dem Ruder gelaufen – so sehr, dass
sie sich später kaum noch daran erinnerte, wie es vorher mal gewesen war: zu Hause,
Familie, lachen, zusammenhalten und so, der Vater, der nach der Schicht nach
Hause kam und nach den Kindern fragte. Geburtstage, Weihnachten, Urlaub. Sie
sprach nicht gerne darüber. Noch weniger wollte sie darüber nachdenken oder
davon träumen, aber das ließ sich kaum verhindern. Träume kamen ungerufen.
Manchmal hatte sie drei oder vier Wochen Ruhe, dann wieder überfielen sie jede
Nacht die gleichen Bilder mit den gleichen Gestalten.
    Mit dreizehn hatte sie angefangen, sich auf dem Dachboden zu verstecken,
wenn die Brüder mit ihren Freunden nach Hause kamen, die Musikanlage aufdrehten
und Schnaps und Bier auf den Tisch stellten, zur Freude der Mutter. Wenn der
große schlanke Typ mit den schwarzen Haaren und dem schiefen, gemeinen Lächeln
dabei war, bekam sie Magenschmerzen. An einem Samstagabend zwang er sie, sein
Ding in den Mund zu nehmen. Sie war vierzehn gewesen, als er sie erst betrunken
gemacht und dann vergewaltigt hatte. Wenige Tage später fing sie an, das
Krähennest zu bauen. Als es fertig war, durchströmte sie ein starkes Gefühl von
Sicherheit und Ruhe, gefolgt von der plötzlichen Erkenntnis, genau zu wissen,
was getan werden musste.
    Als der Schwarzhaarige ihr das nächste Mal auf den Leib zu rücken
versuchte, zerschlug sie eine Bierflasche auf seinem Schädel und trat ihm
anschließend mit voller Wucht in den Bauch. Niemals würde sie seinen Blick
vergessen und die fassungslosen Gesichter ihrer Brüder, als sie den
blutüberströmten Kerl aus ihrem Zimmer warf. Sie hatte gewonnen, und sie schwor
sich, nie wieder eine Verliererin zu sein. Ein Opfer. Egal, wie hoch der Preis
sein würde.
    Mittlerweile war die Familie beträchtlich zusammengeschrumpft. Nur
noch der Jüngste der Brüder wohnte im Krähenhoop, Rabeas Vater war kaum zu
Hause, und ihre Mutter schlief oder soff oder saß vor dem Fernseher oder schrie
und schlug um sich. Aber sie wagte es nicht, ihre Tochter anzurühren.
    Rabea fröstelte und schloss die Dachluke. Sie streckte sich auf der
Matratze aus, als das Handy in ihrer Hosentasche vibrierte. Sie blickte aufs
Display und zuckte mit den Achseln. Mit ihr hatte sie nicht gerechnet, aber sie
würde einen Grund haben anzurufen, davon war Rabea überzeugt.
    »Was gibt’s, Nelli?«
    »Geile Idee von dir, heute nicht in die Schule zu kommen. Du ahnst
nicht, wer hier ist und einen Haufen blöder Fragen stellt!«
    Nellis Stimme klang aufgeregt und ängstlich. Sie spie die Worte
förmlich aus. Wahrscheinlich trampelte sie von einem Bein aufs andere und
wusste gar nicht, wohin mit ihrer Unsicherheit und dem gleichzeitigen Bestreben,
keine Fehler zu machen. Rabea konnte es nicht ausstehen, wenn Nelli so drauf
war. Wenn überhaupt jemand so drauf war.
    »Mach nicht so einen Aufriss, komm zur Sache.«
    »Die Bullen sind da und vernehmen alle.«
    Rabea setzte sich auf. »Was?«
    »Ja – du hast richtig gehört: die Bullen.«
    »Dass ich nichts an den Ohren habe, ist mir klar. Wer wird
vernommen?«
    »Na wir: die Krähen. Ich bin gerade durch, jetzt holen sie Philippa
und …«
    »Und worum geht es?«
    »Um Karen, deswegen sage ich ja …«
    Rabea atmete scharf ein. »Wie?«
    »Karen. Der Fall wird noch mal genauer beleuchtet, wie die
Kommissarin gesagt hat – das ist echt ‘ne schräge Type, aber egal. Was machen
wir denn jetzt?«
    »Zunächst mal treffen wir uns heute Nachmittag am Alten Teich. Um
drei. Du sagst den anderen Bescheid – unauffällig natürlich.«
    »Ja, okay, aber sag mal, wenn …«
    »Reg dich ab. Wir reden später darüber.«
    »Aber …«
    »Nelli?«
    »Ja?«
    »Halt die Schnauze!«
    Rabea unterbrach die Verbindung und pfefferte das Handy in die Ecke.
Ihr Herz flatterte wie ein kleiner Vogel. Sie hasste dieses Gefühl. Aber sie
würde es in den Griff bekommen. Wie immer.
    Mit dem Rad brauchte sie nur wenige Minuten bis zum Waldrand. Ihr
Weg führte am schicken Neubaugebiet, das die Felder verdrängt hatte, und der
Schule in der Teichbreite vorbei. Der Alte

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