Tod in Wolfsburg (German Edition)
Andererseits – beim Stichpunkt »Angst auf
dem Schulhof« hatte Johanna sofort die Ladendetektivin vor Augen, und dem
ständigen Hinweis auf Drogen musste deutlich verstärkt nachgegangen werden. Sie
kramte ihr Handy hervor, setzte das Headset auf und wählte Berans Nummer, bevor
sie losfuhr. Am anderen Ende meldete sich nach viermaligem Klingeln eine
männliche Stimme. Kommissar Reinders.
»Eigentlich hatte ich Sofia Beran erwartet«, bemerkte Johanna statt
einer Begrüßung unverblümt kühl. Reinders anfänglich so hohe Sympathiewerte
waren tief in den Keller gerutscht.
»Hallo, Frau Kommissarin – tut mir leid, wenn Sie nun enttäuscht
sind. Sofia ist gerade nicht im Büro. Vielleicht kann ich Ihnen auch
weiterhelfen«, erwiderte Reinders schwungvoll. »Wie ich höre, sind Sie mächtig
am Recherchieren und Befragen. Kreuzheide scheint ja ein richtig heißes
Pflaster zu sein.« Er klang amüsiert.
»Wenn das der Versuch einer heiteren Betrachtung der Fälle sein
soll, finde ich ihn gänzlich unangemessen«, entgegnete Johanna scharf, während
sie sich auf den Cityring in Richtung Alt-Wolfsburg einfädelte. »Ein junges
Mädchen ist tot, dessen Großmutter fühlt sich bedroht und spricht von
Mordanschlägen, und ganz offensichtlich ist an dieser Schule etwas im Gange!«
Einen Moment herrschte Stille. Dann räusperte Reinders sich.
»Offensichtlich? Darunter verstehe ich jedenfalls etwas anderes.
Wenn Sie Beweise haben, können wir sofort aktiv werden. Wenn nicht …«
»Habe ich nicht! Noch nicht! Doch ich bin ja hier, um sie zu finden,
und es nützt wenig, nur an der Oberfläche zu kratzen, Reinders, auch wenn Ihnen
Waltraud Milbert unsympathisch ist! Zu meiner nächsten Teeparty werde ich sie
aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht einladen. Aber was ist zum Beispiel
mit Drogengeschichten in Wolfsburg? Gibt es ein Problem an den Schulen? In
welchen Zusammenhängen tauchen die Mädchennamen noch auf? Diesbezüglich kann
man schon aktiv werden, oder nicht?«
»Moment mal – wir sind den Hinweisen von Frau Milbert sehr wohl
nachgegangen!«, empörte sich Reinders. »Aber keines von den vier Mädchen hatte
an jenem Abend Drogen bei sich, und in der Diskothek sind wir auch nicht fündig
geworden – sieht man mal von ein paar Gramm Koks, Hasch und einigen Partypillen
bei anderen Gästen ab. Das muss natürlich nichts heißen, hat aber Auswirkungen
auf die Berechtigung weiterer Ermittlungen. Keiner kann sich an den Jungen
erinnern, mit dem Karen getanzt hatte, und die Aussagen anderer Schüler
bestätigen Milberts Verdächtigungen bezüglich der vier Mädchen nicht. Niemand
hat gesehen, wie Philippa die alte Dame gestoßen hat. Wo kann man denn da Ihrer
Ansicht nach tiefer schürfen?«
»Zum Beispiel in Braunschweig«, schlug Johanna vor. »Lassen Sie sich
doch mal vom Staatsanwalt Reitmeyer auf die Sprünge helfen.« Sie hörte, dass
Reinders scharf einatmete. »Es gab im letzten Jahr ein Gewaltverbrechen an
einer Ladendetektivin, die vier Mädchen beim Klauen beobachtet und eines
erwischt hat. Name: Philippa Hummel. Die Detektivin wurde am selben Abend übel
zusammengeschlagen – von diesen vier Mädchen, wie sie zunächst angab. Sie hat
ihre Anzeige aber später wieder zurückgezogen. Die Frau ist gewaltig unter
Druck gesetzt und außerdem vergewaltigt worden. Sie ist aber so verängstigt,
dass sie keine Aussage machen würde. Und nur so nebenbei: Der Rechtsmediziner
Kasimir hat bei Karen Spuren von K.-o.-Tropfen feststellen können. Der Gedanke
an eine Vergewaltigung scheint mir deshalb nicht so abwegig. Also, wenn Sie
mich fragen – ein gewisses Muster ist schon zu erkennen.«
»Solange es keine klare Beweislage gibt …«
»Sie wiederholen sich, Reinders«, unterbrach Johanna den Wolfsburger
Beamten in lakonischem Tonfall. Im Grunde hatte sie schon viel zu viel gesagt
und erklärt. Reinders war längst dabei zu blocken, weil er nur eine Befürchtung
hatte: irgendwie nicht gut auszusehen, falls Johanna zu anderen Ergebnissen
kommen sollte als er. »Davon abgesehen habe ich genau das Milbert gegenüber zum
Ausdruck gebracht. Sie bleibt trotzdem bei ihren Aussagen, und ich werde das
dumme Gefühl nicht los, dass was dran ist an ihrer Geschichte. Nur was genau?
Doch wie dem auch sei – ich hatte Beran gebeten, mal bei den Kollegen vom
Drogendezernat nachzuhaken sowie die Namen der Mädchen durch den Computer zu
jagen, und wollte jetzt eigentlich nur hören, was dabei herausgekommen ist.«
»Ich
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