Tod in Wolfsburg (German Edition)
eher
männlich –, aber die Art, wie sie sich aufmerksam umsah und immer wieder über
die Schulter zurückblickte, hatte ihn ein zweites Mal hinschauen lassen. Er
lächelte noch breiter. Nun war auch klar, dass Sandra März Besuch von Tom
erhalten hatte. So blickte sich nur jemand um, der Angst vor Überraschungen
hatte oder zumindest nicht überrascht werden wollte.
Am frühen Morgen war alles schiefgegangen: Tom war nirgendwo
auffindbar und ging auch nicht an sein Handy. Rico hatte Kneipen abgeklappert
und zwei Frauen aus dem Bett geklingelt, mit denen Tom seines Wissens nach
häufiger mal die eine oder andere Nacht verbrachte. Beide waren nicht
begeistert gewesen und hatten, was deutlich beunruhigender war, keinerlei
Hinweise über Toms Verbleib geben können. Rico war zunehmend nervöser geworden.
Es sah Tom gar nicht ähnlich, einfach in der Versenkung zu verschwinden, noch
dazu mit dem Wagen vom Chef, noch dazu ohne weitere Rückmeldung … Und wenn
etwas passiert war? Aber was? Rico hatte nicht gewusst, dass eine Berlin-Tour
geplant war, geschweige denn, dass bereits Vorbereitungen dafür getroffen
worden waren. Tom hatte das ganz sicher auch nicht gewusst. Vielleicht hatte er
entdeckt, dass der Wagen zumindest teilweise bestückt war. Aber selbst wenn –
wo sollte es da einen Zusammenhang geben?
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als nach Braunschweig zu fahren
und die letzte Person, die ganz sicher mit ihm zu tun gehabt hatte, nach ihm zu
fragen.
Sandra März – Philippa hatte sich ihren Namen gut gemerkt. Sie war
damals ganz wild darauf gewesen, der Frau noch einen besonderen Denkzettel zu
verpassen. Das war ungefähr zur selben Zeit, als sie angefangen hatte, ihm
schöne Augen zu machen. So albern das war: Er hatte sich am Bauch gepinselt
gefühlt. Und nicht nur da. Außerdem war es immer wieder ein schwindelerregender
Rausch, ein Mädchen mit Gewalt zu nehmen, während Rabea zusah – mit
undurchdringlicher Miene und geheimnisvollen Augen – und Philippa ihn anfeuerte
und mit geilen Blicken verschlang, während sie wahrscheinlich immer feuchter
wurde. Aber obwohl die Sorge, dass die Ladendetektivin nach der Prügelaktion zur
Polizei gehen und die Mädchen anzeigen würde, nicht unberechtigt gewesen und
eine dementsprechende Einschüchterung durchaus überlegenswert war, hätte er
sich nicht darauf einlassen sollen. Sandra März war kein Mädchen, sondern eine
erwachsene Frau, noch dazu im Sicherheitsdienst tätig. Sie hatte sich heftig
gewehrt – so ähnlich wie Karen – und ihm die Mütze heruntergerissen. Doch das
war nicht alles gewesen. Philippa hatte ihn bei seinem Namen genannt, und es
war ihm gar nichts anderes übrig geblieben, als die Frau eine Zeit lang im Auge
zu behalten. Sicher war sicher.
Inzwischen war sie umgezogen – doch es war nicht weiter schwierig
gewesen, ihre neue Adresse herauszufinden. Als Rabea ihn vor zwei Tagen über
die erneuten Ermittlungen einer Kommissarin informiert hatte, die eine
merkwürdige Andeutung über Einkaufstouren der Mädchen in Braunschweig gemacht
hatte, war ihm sofort klar gewesen, dass sie beunruhigt war, und er hatte
versprochen, sich zu kümmern. Tom war schnell zu gewinnen gewesen, erst recht, als
Rico ihm mit bedeutungsvollem Blick zugeraunt hatte, dass das Namenskürzel S.M. lautete und durchaus wörtlich zu
nehmen wäre. Tom bevorzugte auch die harte Tour.
Vielleicht hat er es am vergangenen Abend ein bisschen übertrieben
und braucht eine Extraportion Schlaf, dachte Rico grinsend und ließ die Frau
nicht aus den Augen. Sie ging immer noch sehr langsam. Vielleicht war sie auch
erschöpft. Rico grinste noch breiter, verließ seinen Wagen und folgte ihr in
gebührendem Abstand.
Sie lief die Celler Straße hinunter. Zweimal blieb sie stehen, und
er verharrte ebenfalls, wobei er rasch in eine andere Richtung sah oder
scheinbar interessiert die Plakate an einer Litfaßsäule studierte. Die Sache
begann ihm Spaß zu machen. Gerade als er seine Schritte zu beschleunigen
begann, um ihr allmählich näher auf die Pelle zu rücken, meldete sein Handy den
Eingang einer SMS . Er zog es
heraus und lachte freudig auf: Tom, na endlich!
»Heh Alter. Wo bist du? Warte am Auto auf dich. Hab eine
Überraschung für dich. Beeil dich.T.«
Rico dachte nicht eine Sekunde darüber nach, wieso Tom auf einmal
wieder in der Celler Straße auftauchte. Er drehte sich um, ließ Sandra nach
einem letzten Blick mit leisem Bedauern von dannen ziehen und ging
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