Tod in Wolfsburg (German Edition)
Kauntas Privatadresse geschickt. Die
warten da auf weitere Anweisungen«, sagte er. »Eine Streife steht außerdem
unauffällig in der Dieselstraße, und in Braunschweig-Kanzlerfeld befragen die
Kollegen Anwohner. Rico Lappa ist nicht unter seiner Adresse zu erreichen.«
»Das wundert uns jetzt nicht, oder?«
»Nein.« Reinders seufzte. »Was meinen Sie – hängen die beiden
Geschichten nur oberflächlich zusammen, weil mehrere Verbrechen vorliegen, an
denen die gleichen Personen beteiligt sind, oder gibt es eine direkte
Verbindung, die wir nur gerade nicht sehen? Oder beides?«
Johanna streckte den Rücken und lehnte sich zurück. »Tja. Gute
Frage. Eine von vielen. Wer ist zum Beispiel sie , von der in der SMS die Rede ist? Wieder ein junges Mädchen? Oder sind es mehrere Personen? Ist S.M. ein Kürzel oder bedeutet es …« Sie
brach ab, nahm sich noch mal den Zettel vor und las erneut den SMS -Text: »Werd sie vor Wohng abfangen,
Klartext reden. S.M. Kommt dann
best. nicht auf Idee, dummes Zeug bei Bullen zu labern. Kannst dich
verlassen.T.«
»Scheiße«, bemerkte sie leise. »Natürlich …« Für einen Moment war
sie aufgrund ihrer deutlich zunehmenden Erschöpfung sowie der abgehackten
Schreibweise und der völlig anderen Umstände abgelenkt gewesen – Kokain,
Waffen, ein toter Mann, Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Banden …
» S.M. kann auch das
Kürzel für Sandra März sein, die vor einem Jahr ebenfalls von den Mädchen
überfallen und Tage später vergewaltigt worden war«, überlegte sie. »Sie
erinnern sich an den Vorfall mit der Ladendetektivin?«
Reinders nickte rasch. »Ja, aber da lag keine Drogengeschichte
zugrunde, sondern …«
»… pure Rache, weil März die Mädchen beobachtet und immerhin
Philippa geschnappt hat. Später hat sich Rico noch mal eingeschaltet, damit
März die Anzeige zurückzieht. Der wollte wohl auf keinen Fall, dass die Polizei
auf seine Krähen aufmerksam wird. Wahrscheinlich nutzt er aber auch jede
Gelegenheit, um Macht zu demonstrieren, Gewalt auszuüben. Scheint ein
besonderes Hobby von ihm zu sein, Mädchen zu vergewaltigen.« Johanna fiel auf
einmal ein, dass Philippa seinerzeit die SMS mit dem Kürzel Rc erhalten hatte. Das Zwinkern und Lächeln. Auch mit dem
Zusammenhalt der Krähen war es nicht weit her, sobald ein Mann mit im Spiel
war, der mehr als eine interessierte.
»Okay, aber wer hat dann Tom Siender getötet und warum? Oder laufen
zwei Geschichten zufälligerweise parallel ab?«, grübelte Reinders.
Johanna stand auf. »Wenn ich das wüsste … Als hätten wir nicht schon
mit einer mehr als genug zu tun. Ich möchte mal auf eine Karte von Braunschweig
gucken, und wir brauchen natürlich die Adresse von Sandra März und die
Telefonnummer.«
Plötzlich hatte sie es eilig. Reinders schnappte sich sein Tablett
und schloss sich an.
»Und was ist mit Kaunta und seinen Leuten? Ich finde, wir sollten
nicht länger warten und ihn uns in einer parallel laufenden Aktion schnappen –
möglichst sofort.«
»Gute Idee! Kümmern Sie sich um Kaunta und Co, ich halte mich an
Sandra März. Wir bleiben in Verbindung.«
Eine knappe halbe Stunde später saß Johanna bereits mit Beran im
Auto, als ihr plötzlich noch ein Gedanke kam.
»Moment!«
Sie pfefferte Rucksack und Notizblock, in dem sie während der Fahrt
in aller Ruhe blättern wollte, auf den Rücksitz und sprintete ohne weitere
Erläuterung zurück ins Polizeigebäude, um erneut mit Reinders zu sprechen. Der
Kommissar leitete in seinem Büro eine Einsatzbesprechung und blickte – milde
ausgedrückt – verblüfft hoch, als sie ohne zu klopfen die Tür aufriss und
hereinstürmte.
»Das Handy von Tom Siender!«, schleuderte sie ihm entgegen.
»Ja? Was ist damit?«
»Ich möchte es haben. Können Sie veranlassen, dass ein Kollege es
uns übergibt? Wir treffen uns an der Celler Straße.«
»Ja, aber …«
»Und kein Gespräch entgegennehmen, das ist wichtig!«
»Gut, ich …«
»Danke.«
Damit schloss sie die Tür und eilte zum Auto zurück.
29
Geduld und Hartnäckigkeit waren das A und O – irgendwann wurden
sie belohnt, und zwar immer. Rico nickte und begann zu lächeln, als er erneut
die junge Frau mit den derben Winterstiefeln ins Auge fasste, die langsam den
Weg vom Haus heruntergekommen war und sich nun auf der Celler Straße in
Richtung Innenstadt orientierte. Er hatte sie nicht auf Anhieb erkannt – sie
trug das Haar deutlich kürzer, und in der dunklen Jacke wirkte sie
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