Tod in Wolfsburg (German Edition)
sich für mich bei näherer Betrachtung erstens die Frage, warum die
Waffen nicht gefunden wurden.« Johanna hob kurz die Hand. »Reinders meinte
schon, dass sie gut versteckt gewesen seien. Nun ja … ich weiß nicht. Diese
Typen kennen doch die Tricks, die wissen, wo sie suchen müssen.«
Beran zog die Achseln hoch. »Vielleicht hat Kaunta dazu eine
passende Antwort.«
»Vielleicht erzählt er uns bei der Gelegenheit auch noch eine schöne
Gute-Nacht-Geschichte, damit wir besser einschlafen können!«
Beran lächelte. »Okay, ich hab’s verstanden. War ja nur so eine
Idee! Was geht Ihnen noch durch den Kopf?«
»Warum wurde der Wagen überhaupt weggefahren und dann noch nach
Kanzlerfeld? In der Celler Straße fällt er doch viel weniger auf als in der
ruhigen Paracelsusstraße.«
»Vielleicht hat er oder haben sie sich beobachtet gefühlt und sind
auf gut Glück losgedüst. Oder Siender war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht
tot und ist aufgebrochen, um … wen auch immer abzuhängen?«
Johanna schüttelte den Kopf. »Warum sollte er dann aus der Stadt in
eine ruhige Wohngegend fahren? Um jemanden abzuhängen, fährt man in die
Innenstadt, wo viel los ist, oder auch auf die Stadtautobahn.«
»Vielleicht war er angespannt und nervös, ist falsch abgebogen und
dann einfach weiter der Straße gefolgt.«
»Jemand, der in dem Geschäft unterwegs ist, wird doch nicht nervös,
weil er sich verfolgt fühlt oder sich schnell aus dem Staub machen will. Aber
selbst wenn Siender angespannt war: Derlei gehört zu seinem Job, er wird
trotzdem nicht gleich die Nerven verlieren. Außerdem kannte er sich garantiert
gut in Braunschweig aus – Kaunta hat hier auch Läden.«
Beran atmete laut aus.
»Daran schließt sich natürlich die Frage an, wie der Mörder von
Siender Kanzlerfeld wieder verlassen hat? Zu Fuß? Wurde er gesehen? Oder ist er
einfach in den Wagen eines Kumpels umgestiegen, der dem Transporter
hinterhergefahren war?«, fuhr Johanna in ihren Überlegungen fort. »Oder hat
doch jemand aus der Gegend was damit zu tun und sollte gewarnt werden?«
Beran fuhr sich durch die Haare.
»Und dann bleibt da noch die offene und halb heruntergezogene Hose.
Siender wird mit gezielter Schlagtechnik getötet. Warum geht man ihm an die
Hose? Ein Perverser? Quatsch! Und passierte das vorher oder hinterher? Und
jetzt schlag nicht vor, dass er vielleicht mal pinkeln musste!«
Die Polizistin runzelte die Brauen. »Na ja – unter Umständen ist das
eine Insidergeschichte. Jemand will ihn so richtig vorführen.«
Johanna verdrehte die Augen und winkte ab.
Beran lächelte und überlegte einen Moment. »Kann eigentlich so ein
Nasenbeinschlag auch aus Versehen erfolgen?«, fragte sie dann.
»Sie meinen einen Abwehrschlag, der ohne Absicht so und nicht anders
landet? Gute Frage.«
Johanna massierte sich die Schläfen. März hatte sich für den
heutigen Tag bei ihrer Firma krankgemeldet. Das hatte Johanna von ihrem Chef
persönlich erfahren, als sie versucht hatte, die Ladendetektivin zu erreichen.
Besonders kränklich hatte sie nicht gewirkt, und sie war relativ schnell bereit
gewesen zu kooperieren – im Vergleich zur ersten Befragung war sie förmlich
aufgeschlossen gewesen. Na und? Spielte das jetzt noch eine Rolle? Sie hatten
Rico geschnappt – Ende! Und gleich platzt mein Schädel, dachte Johanna. Ich
möchte abschalten, ausschlafen, an irgendeinem See oder Fluss sitzen, angeln,
später ein Glas Rotwein mit Siegfried trinken …
»Stell nicht voreilig Zusammenhänge her, die dir dann den neutralen
Blick auf die Geschehnisse verstellen«, war ein Standardsatz ihres alten
Freundes und Mentors König. Du hast gut reden, brummelte sie lautlos. Aus dem
Ruhestand war es leicht, schlaue Bemerkungen abzugeben. Fairerweise musste
Johanna zugeben, dass Siegfried König auch während seiner aktiven Zeit beim BKA immer versucht hatte, sich an diese
Maxime zu halten.
Wo war der Knackpunkt an der Tom-Siender-Geschichte? Vielleicht gab
es nur ein paar Ungereimtheiten, die sich ihr nie erschließen würden. Das kam
vor, auch im Zusammenhang mit aufgeklärten Fällen. Sie hasste es, offene Fragen
zurückzulassen, aber manchmal blieb ihr nichts anderes übrig.
Reinders war bester Laune, auch wenn der lange, anstrengende
Arbeitstag inzwischen tiefe Spuren in seinem Gesicht hinterlassen hatte. Kaunta
und seine Leute waren festgenommen worden und wurden verhört. Bei der
Durchsuchung der Räumlichkeiten waren jede Menge Drogen und
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