Tod ist nur ein Wort
geschaffen, zurückhaltend aufzutreten.
Vielleicht konnte sie Kopfschmerzen vorschützen, sich ins Bett verkriechen und den Dingen morgen ins Auge sehen. Soweit sie wusste, war sie nicht rund um die Uhr im Dienst, und der heutige Abend sollte eher der Geselligkeit dienen. Man brauchte sie nicht, und sie wiederum brauchte keine Menschen, die so viel tranken, dass sie noch indiskreter wurden, als sie es heute Nachmittag schon gewesen waren.
Allerdings war es sicher keine schlechte Idee, herauszufinden, warum sie sich so paranoid verhielten. Falls ihr die Antwort darauf nicht gefiel, konnte sie ja einfach vorgeben, dass sie nach Paris zurückkehren müsse. Monsieur Hakim hatte ja ausgeführt, dass man sie nicht wirklich brauchte, und sie ging davon aus, dass sich die Gäste auch ohne eine gemeinsame Sprache verständigen konnten. Schließlich war ihr Seelenheil wichtiger als das großzügige Tageshonorar.
Doch siebenhundert Euro konnten ein wenig Unbehagen durchaus lindern, und normalerweise war sie kein Feigling. Sie würde hinuntergehen, charmant lächeln, ein bisschen Wein trinken – nicht so viel, dass sie die Kontrolle verlor – und sich von Bastien Toussaint fernhalten. Seine dunklen undurchdringlichen Augen und sein vorgebliches Interesse an ihr verunsicherten sie. Aus irgendeinem Grund glaubte sie nicht daran. Sie war keinesfalls unattraktiv, doch sie gehörte wohl kaum in seine Liga – sein Typ waren eher Supermodels oder Millionärstöchter.
Dass er vor ihrer Tür stand, als sie hinausgehen wollte, änderte daran nichts.
Er schaute auf seine Armbanduhr. “Eine schöne Frau, die pünktlich ist”, sagte er auf Französisch. “Wie entzückend.”
Um eine Antwort verlegen, zögerte sie. Einerseits war der Anflug von Ironie unüberhörbar. Chloe wusste, dass sie zwar durchaus attraktiv war, das Wort “schön” ihr aber doch zu sehr schmeichelte – selbst noch mit Sylvias Kleid. Doch darüber zu streiten, würde nur kokett wirken, und zudem wollte sie keine unnötige Zeit in dem dunklen höhlenartigen Korridor mit ihm verbringen.
Er lehnte an dem ihrer Tür gegenüberliegenden Fenster, hinter dem sich die für diese Tageszeit überraschend gut beleuchteten Gartenanlagen erstreckten. Er hatte eine Zigarette geraucht, kam nun aber auf sie zu.
Sie hatte geglaubt, sie hätte sich inzwischen daran gewöhnt, wie elegant sich manche Franzosen bewegten. Für einen Augenblick lenkte sein Körper sie ab, doch dann rief sie sich innerlich zur Ordnung. “Warten Sie auf mich?”, fragte sie lächelnd und zog die Tür hinter sich zu, obwohl sie eigentlich nichts mehr wollte, als sich in ihrem Zimmer zu verkriechen und abzuschließen.
“Selbstverständlich. Mein Zimmer liegt direkt den Gang hinunter, auf der linken Seite. Wir sind die einzigen Gäste in diesem Flügel, und ich weiß, wie man sich hier verlaufen kann. Ich wollte sichergehen, dass Sie nicht irgendwo landen, wo Sie nicht sein sollten.”
Wieder so eine Andeutung, dass etwas nicht stimmte. Vielleicht war sie paranoid, und nicht Hakims Gäste.
“Ich habe einen recht guten Orientierungssinn.” Eine dreiste Lüge – sogar mit dem besten Stadtplan bog sie unweigerlich in die falsche Straße ein. Doch das konnte er nicht wissen.
“Sie leben lange genug in Frankreich, um zu wissen, dass sich die französischen Männer für charmant und galant halten. Das gilt auch für mich – noch wenn Sie es am wenigsten erwarten, werde ich neben Ihnen auftauchen, um Ihnen Kaffee oder eine Zigarette anzubieten.”
“Ich rauche nicht.” Sie fühlte sich zunehmend unbehaglich bei dem Gespräch. Dass der Blick in seine dunklen undurchdringlichen Augen und sein schlanker eleganter Körper sie ganz und gar nicht unberührt ließen, komplizierte die Dinge nur. Warum musste sie sich von jemand angezogen fühlen, der so … so unpassend war? “Und woher wissen Sie, dass ich schon lange in Frankreich lebe?”
“Ihr Akzent. Niemand spricht so gut, wenn er nicht schon mindestens ein Jahr hier lebt.”
“Zwei, um genau zu sein.”
Ein Anflug von einem Lächeln. “Sehen Sie? Ich habe einen Instinkt für solche Dinge.”
“Ich brauche niemanden, der charmant und galant zu mir ist”, sagte Chloe, die sich noch immer unbehaglich fühlte. Der Mann sah nicht nur verdammt gut aus, er roch auch noch gut. Ein unaufdringlicher anziehender Duft lockte hinter dem Tabakaroma. “Ich bin hier, um zu arbeiten.”
“Das sind Sie”, murmelte er. “Doch das heißt nicht,
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