Tod ist nur ein Wort
sagte er und streckte seine Hand nach ihr aus.
Närrin, die sie war, hätte sie ihn vielleicht gewähren lassen, wenn sich nicht die Tür zum Salon geöffnet hätte und Monsieur Hakim herausgetreten wäre.
Ohne besondere Eile trat Bastien einen Schritt zurück, und Hakim errötete. “Wir haben uns gefragt, wo Sie bleiben, Mademoiselle Underwood. Es ist schon halb acht.”
“Ich hatte Mühe, den Weg zu finden. Monsieur Toussaint war so freundlich, ihn mir zu zeigen.”
“Das glaube ich gern”, grollte Hakim. “Der Baron erwartet Sie, Bastien. Und reißen Sie sich zusammen – wir haben Arbeit vor uns.”
“
Bien sûr”
, erwiderte Bastien und warf Chloe einen vielsagenden Blick zu, als er in den Salon vorausging.
Chloe wollte ihm folgen, doch Hakim hielt sie mit einem festen Griff zurück. “Ich muss Sie vor Bastien warnen”, sagte er.
“Sie müssen mich nicht warnen. Ich kenne diesen Typ Mann sehr gut.” Nicht ganz richtig, dachte sie. Bastien versuchte sie zu überzeugen, dass er ein bestimmter Typ Mann war – weltgewandt, charmant, jederzeit einer Affäre zugeneigt und völlig ohne moralische Skrupel. Und genau dieser Typ Mann war er auch – daran zweifelte sie nicht. Doch hinter dieser Oberfläche verbarg sich noch etwas Dunkles, das sie einfach nicht fassen konnte.
Hakim nickte, obwohl ihre Worte ihn offensichtlich nicht überzeugt hatten.
“Sie sind sehr jung, Mademoiselle Underwood, sodass ich väterliche Verantwortung für Sie empfinde. Ich möchte Sie davor bewahren, dass Ihnen Unglück widerfährt.”
Es war natürlich nur sein überkorrektes Englisch, dass ihn irgendwie drohend klingen ließ. Doch ihr wurde mulmig zumute, und sie fragte sich, ob es vielleicht ein ernster Fehler gewesen sein mochte, für Sylvia einzuspringen. Abenteuer, Luxus und Geld waren ja nett, aber nicht um jeden Preis. Und wenn sie sich an Bastien Toussaints routinierte Küsse erinnerte, fürchtete sie, schon allzu tief im Schlamassel zu stecken.
Weil sie wissen wollte, wie es wäre, wenn er sie richtig küsste. Nicht nur als Taktik, um ihr den Kopf zu verdrehen. Sondern weil er es ebenso sehr wollte wie sie.
Und sie war dabei, ihren Verstand zu verlieren, rief sie sich zur Ordnung, während sie Hakim in die Bibliothek folgte. Gerade rechtzeitig, um Bastien in vertrautem Gespräch mit einer der Frauen anzutreffen. Dafür, dass er nicht ihr Mann war, gab sich die Baronin eindeutig zu freundschaftlich. Sie hatte ihre sorgfältig manikürte Hand auf seinen Arm gelegt und ihm ihr perfekt geschminktes Gesicht zugewandt. Chloe nahm einen Sherry von dem Tablett, das ihr ein Butler reichte, und wählte einen Sessel neben der Flügeltür. Hier konnte sie hinaus in den hell erleuchteten Garten blicken und war weit entfernt von Bastien und seiner entgegenkommenden Gesprächspartnerin. Das Sprachengewirr war kaum zu identifizieren, und sie mochte nicht näher hinhören. Es wäre wie Lauschen, und was sie früher am Tage mit angehört hatte, war ihr noch immer peinlich.
Doch dann bemerkte sie, dass man so höflich war, nur Französisch und Englisch zu sprechen. Und alle Gespräche, die sie verstand, waren so wenig geheimnisvoll, dass sie sich entspannt in ihren Sessel sinken ließ. Ihre Fantasie war schon immer ihre größte Schwäche gewesen, und überall vermutete sie Verschwörungen. Was konnte denn gefährlich sein an einer Gruppe besserer Kaufleute?
Sie registrierte, wie Bastien und die Frau unauffällig nach draußen schlichen, wo sie von den Schatten verschluckt wurden. Ihr Bemühen um Vernunft war urplötzlich verschwunden. Ihn gehen zu sehen, wäre schon schwer genug gewesen, doch er hatte sich im letzten Moment noch einmal umgedreht, um sie anzuschauen und ein bedauerndes Schulterzucken anzudeuten.
“Miss Underwood.” Der ältliche Baron ließ sich mit einem leisen Ächzen im Sessel neben ihr nieder. “Es sieht aus, als hätte man uns verlassen. Nun sagen Sie mir, warum ein so hübsches junges Ding wie Sie sich tagelang mit solch langweiligen alten Kapitalisten wie uns abgibt. Sie haben doch sicher bessere Dinge zu tun in Paris? Ein junger Mann wird dort doch sicher auf Sie warten?”
Voller Bereitschaft, das Paar, das eben den Raum verlassen hatte, zu vergessen, lächelte sie ihn an. “Kein junger Mann, Monsieur. Ich lebe eher zurückgezogen.”
“Das kann ich nicht glauben!”, sagte er. “Ein junges Mädchen, das so hübsch ist wie Sie? Was ist mit den jungen Männern heutzutage los, dass sie
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