Tod ist nur ein Wort
mehr in der Lage, ein Wimmern von sich zu geben. Er musste die Sache einfach nur aus seinem Kopf kriegen – Bedauern lag nicht in seiner Natur, auch kein Mitleid.
Er kleidete sich rasch an. Eine bequeme Hose und ein Hemd, alles in Schwarz. Sein langes Haar band er im Nacken zusammen, schlüpfte in ein Paar Schuhe und ging zur Tür.
Kurz nach Mitternacht. Monique würde in nicht allzu langer Zeit zu ihm kommen. Er erwog, die Überwachungskameras in seinem Zimmer zu sabotieren, nur um den Baron zu ärgern, besann sich jedoch eines Besseren. Er konnte nicht noch weiter gehen. Der Mann, der er zu sein vorgab, der Mann, zu dem er geworden war, musste Moniques Besuch begrüßen.
Er öffnete die Tür zu dem leeren Gang. Die Mädchen waren aus dem Zimmer nebenan verschwunden, die Tür stand offen. Alle Spuren von Chloes Besuch auf Château Mirabel waren beseitigt worden. Sie war verschwunden, als hätte sie niemals existiert. Verschwunden auch aus seinem Gedächtnis, ein weiteres Opfer, das man leicht vergaß. Und zum ersten Mal seit Jahren traf er eine unvernünftige, eine emotionale Entscheidung.
Er würde Chloe suchen.
Er schloss die Tür hinter sich und nahm den Weg in Richtung des abgeriegelten Gebäudetraktes. Falls sie noch lebte, konnte er Hakim zumindest dazu bewegen, die Sache zu beschleunigen. Sentimental oder nicht – er wollte nicht, dass sie litt. Sie zu retten stand nicht zur Debatte, aber er konnte ihr das Leiden ersparen. Vielleicht war so viel Menschlichkeit doch noch in ihm.
Tatsächlich fand er sie zusammengekauert in der Ecke jenes Raumes, in dem Hakim gern seine Verhöre abhielt. Sie weinte. Noch am Leben, aber nicht mehr lange, dachte Bastien leidenschaftslos, als er die Tür hinter sich schloss. Hakim wandte sich überrascht um.
“Was machen Sie hier, Toussaint? Sie sagten, Sie hätten kein Interesse an weiteren Spielchen mit Miss Underwood. Ich weiß nicht, ob es mir gefällt, dass Sie Ihre Meinung geändert haben.”
Er hatte Jacke und Krawatte abgelegt, seine Ärmel aufgerollt und das Hemd aufgeknöpft. Seine fleischige haarige Brust war schweißbedeckt, und er befand sich offensichtlich in sexueller Ekstase, als er die schmale Klinge des Stiletts über den Schweißbrenner hielt.
Bastien konnte das versengte Fleisch riechen. Er blickte zu Chloe. Sie hatte nicht mehr die aufreizende Unterwäsche an – irgendwie hatte sie es geschafft, sich umzuziehen, bevor Hakim gekommen war. Sie trug schwarze Hosen und eine Bluse. Oder hatte sie getragen. Die aufgeschlitzten Hosenbeine entblößten ihre langen Beine, und die bis auf die Arme heruntergerissene Bluse gab einen schlichten weißen BH frei.
Er konnte die Male sehen. Hakim hatte das Messer sowohl zum Schneiden als auch zum Brennen benutzt und ein Muster auf Chloes Armen hinterlassen. Sie war noch nicht bewusstlos, doch das würde nicht mehr lange dauern. Sie wusste, dass er im Raum war, blickte ihn jedoch nicht an, sondern saß zusammengekauert in der Ecke, mit geschlossenen Augen und leise vor sich hinweinend.
“Ich hatte nicht die Absicht, Sie bei Ihrem Vergnügen zu unterbrechen, Gilles”, sagte Bastien. “Ich wollte nur einem Meister bei seiner Arbeit zusehen.”
Sie öffnete die Augen und blickte ihn quer durch den schwach beleuchteten Raum an. Er sah in ihre braunen Augen, und zum ersten Mal in seinem Leben sah er sich selbst. Wer er war und was aus ihm geworden war.
“Gerne”, sagte Hakim. “Anders als Sie arbeite ich immer gerne mit Publikum. Sie ist wirklich sehr hübsch, nicht wahr?” Er trat auf sie zu und hob eine Strähne ihres dicken Haares mit dem heißen Messer an. Es zischte, und die Strähne fiel zu Boden.
“Sehr hübsch”, bestätigte Bastien, der sie beobachtete. Noch hatte Hakim ihr Gesicht nicht angerührt – das würde später kommen. Er hatte Hakim noch niemals zusehen müssen, kannte aber genug Berichte, um zu wissen, wie er vorging.
Er konnte nichts, aber auch gar nichts tun, um ihn aufzuhalten. Er hätte niemals hier herkommen und sie hier so sehen dürfen, doch er hatte immer getan, was getan werden musste. “Der Baron hat nach Ihnen gefragt”, sagte er plötzlich. “Es gibt ein Problem mit den Iranern.”
“Es gibt immer ein Problem mit den Iranern”, grummelte Hakim. “Wie ernst ist es?”
“Ernst genug. Keine Ahnung, ob es bis morgen warten kann.”
“Alles kann bis morgen warten”, erwiderte Hakim und zog das Messer an Chloes Arm entlang. Sie schrie nicht. “Sehen Sie, wie folgsam
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