Tod ist nur ein Wort
Gesicht – dunkel, rücksichtslos. Er sah aus wie der Mistkerl, der er war, und daran war nichts zu ändern. Das hatte er schon vor langer Zeit akzeptiert.
Er trat einen Schritt zurück und machte seine Hose zu. Sie schaute ihn an, als stünde ein Geist vor ihr, und am liebsten hätte er sie in die Arme genommen, um sie zu trösten. So weltgewandt sie sich auch zu geben versuchte, war sie ganz offensichtlich so etwas wie eben nicht gewöhnt, und sie wirkte orientierungslos, verloren.
Doch er durfte sie nicht trösten. Er schloss die Augen und lehnte seine Stirn an ihre, während er das Kleid um sie wickelte und es in der Taille zuband. Er konnte sie nicht länger vor den Kameras schützen, aber er konnte dafür sorgen, dass sie kein leichtes Spiel hatten.
Wenn alle logischen Möglichkeiten ausschieden, blieb einem nichts anderes übrig, als das Unlogische zu glauben. Chloe Underwood war genau das, was sie zu sein vorgab. Eine Unbeteiligte, die von einem Strudel erfasst worden war, der mächtiger war, als sie je begreifen würde. Und dummerweise war es ausgerechnet der einzige Gute im Spiel, der ihr am meisten Schaden zugefügt hatte. Bis jetzt.
Er würde alle Hände voll zu tun haben, um Hakim von seinen Verdächtigungen abzubringen. Er musste zurück zum Computer, um die virtuellen Spuren von Miss Naseweis zu beseitigen und die anderen zu überzeugen, dass sie keine Gefahr darstellte.
Doch zuerst musste er sie abservieren. Er küsste sie auf den Mund, beiläufig, lieblos. “
Eh bien
, Süße”, murmelte er. “Das war sehr nett. Schade, dass wir keine Zeit für mehr haben.”
Sie starrte ihn einen Moment verständnislos an. Dann versetzte sie ihm mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, eine Ohrfeige, die seinen Kopf zur Seite schleuderte.
Bedauern war nutzlos, Erbarmen ein unbekanntes Gefühl, und sein Körper vibrierte noch vor Befriedigung.
Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln, nahm seine Jacke und verließ das Zimmer, wobei er die Tür leise ins Schloss fallen ließ.
Chloe lehnte an der Wand. Ihre Knie waren so weich, dass sie sich nicht länger auf den Beinen halten konnte und sich langsam auf den wunderschönen Parkettboden gleiten ließ. Sie begann zu zittern – es fing mit einem leichten Schauer an, der immer stärker wurde, bis sie von Kopf bis Fuß richtiggehend durchgeschüttelt wurde. Sie schlang die Arme um ihren Körper, ohne dass ihr dadurch wärmer wurde. Sie schloss die Augen, doch das Stöhnen aus dem Fernseher verwirrte sie dann nur noch mehr, und sie öffnete sie wieder. Das Spitzenhöschen lag auf dem Boden vor der antiken Kommode, die wahrscheinlich in den ganzen Jahrhunderten ihres Bestehens noch nicht so zweckentfremdet worden war. Andererseits – sie befand sich in Frankreich.
Am liebsten hätte sie sich übergeben. Kein Zweifel – sie stand unter Schock und ekelte sich vor dem Geschehenen, doch sie konnte nicht begreifen, warum.
Sie hatte nicht Nein gesagt. Es gab keine Möglichkeit, das abzuleugnen – sie hatte nicht Nein zu ihm gesagt. Ob er ein Nein akzeptiert hätte, stand auf einem anderen Blatt. Sie hatte zugelassen, was er tat.
Und das Schreckliche, Ekelhafte daran war, dass es ihr gefallen hatte.
Nein, das war nicht das richtige Wort. Gefallen hatte nichts damit zu tun. Es hatte ihr nicht gefallen, manipuliert, eingeschüchtert, gepeinigt und benutzt zu werden.
Doch trotz allem hatte er sie zum Höhepunkt gebracht. Oder, noch viel schlimmer, vielleicht gerade deshalb?
Nein. Sie hatte keinen dunklen verborgenen Wunsch, bestraft zu werden, gedemütigt, benutzt und weggeworfen. Es gab keine dunklen Triebe aus der Vergangenheit, keinen Selbsthass, der sie förmlich darum betteln ließ, schlecht behandelt zu werden.
Also warum hatte sie ihn gewähren lassen? Warum hatte sie seinen Kuss erwidert, obwohl ihr Verstand Alarm schlug? Warum hatte sie sich an ihn geklammert, obwohl sie doch wusste, wer und was er war? Warum hatte sie einen Orgasmus gehabt?
Sie konnte sich natürlich damit beruhigen, dass es sich um eine rein körperliche Angelegenheit gehandelt hatte. Ihre Familie würde bestätigen, dass es nur um eine normale physische Reaktion ging – falls sie jemals so verrückt sein sollte, es ihnen zu erzählen. Nichts, wofür man sich schämen musste, nichts, was sie erschrecken oder ekeln sollte.
Doch in ihrem tiefsten Inneren wusste sie, was so beschämend, so erschreckend, so ekelhaft war. Nicht, dass sie unter diesen lieblosen Umständen den heftigsten
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