Tod ist nur ein Wort
Abscheu schütteln. Wenn sie überhaupt je an ihn dachte.
Er konnte nur hoffen, dass sie es nicht tat. Sie war denkbar schlecht vorbereitet gewesen auf diese Tage, die sie verbracht hatten – Tod und Gewalt gehörten nicht zum normalen Leben einer jungen Frau, schon gar nicht zu dem dieser Amerikanerin. Falls es ihr nicht gelungen war, das alles hinter sich zu lassen, hatten ihre pragmatischen Eltern sie zweifellos von einem Therapeuten zum nächsten gezerrt, bis sie endlich geheilt war. Geheilt von den Erinnerungen. Geheilt von ihm.
Er lag in der Sonne, ließ seinen Geist leer werden, seinen Körper sich ausruhen. Er war noch nicht sicher, wohin er als Nächstes reisen sollte – Griechenland stand nicht zur Debatte, und der Ferne Osten war auch keine gute Idee. Die Yakuza hatte die Nachricht von Otomis Tod nicht gut aufgenommen, und ihr Netzwerk konkurrierte mit dem Komitee. Sobald er japanischen Boden betrat oder auch nur in die Nähe kam, würden sie ihn selbst zwischen Millionen Menschen finden und eliminieren. Und er hatte festgestellt, dass er nicht länger mit dem Tod flirtete, auch wenn er noch nicht herausbekommen hatte, woran das lag.
In die Staaten würde er nicht fahren, so viel stand fest. Amerika war ein großes Land, doch wenn er auch nur einen Fuß dorthin setzte, würde er nur noch an eins denken. An diese Frau. Er würde nichts wegen ihr unternehmen, doch er würde sich auf nichts anderes konzentrieren können, solange er dort war. Selbst Kanada war noch zu nah.
Die Schweiz mit ihrer absoluten Neutralität wäre vielleicht eine gute Wahl. Oder Skandinavien, eventuell Schweden …
Um Himmels willen, nein! Er würde nie wieder an Stockholm denken können, ohne zu … zum Teufel, er wusste nicht einmal, was er darüber dachte. Seine Welt war von ihr gezeichnet, war kontaminiert. Es gab keinen Ort, der ihn nicht an sie denken ließ. Vielleicht wollte er doch sterben.
Oder vielleicht war das Teil seiner Buße.
Er trank zu viel, doch was sollte er auch tun, wenn er in der Sonne lag und versuchte, nicht zu denken? Trinken und rauchen und mit der hübschen Kellnerin schlafen, wenn er betrunken genug war, um zu vergessen. Ein gutes Leben, sagte er zu sich selbst, als er die Sonnenbrille aufsetzte und seine Augen vor der gleißenden portugiesischen Sonne schloss. Vielleicht konnte er für immer so liegen bleiben.
Irgendetwas warf einen Schatten auf ihn, und er wartete geduldig darauf, dass es verschwand. Als das nicht geschah, öffnete er die Augen und erblickte Jensen vor seiner Liege.
Er sah völlig anders aus als bei ihrer letzten Begegnung, als Jensen im Hotel Denis am anderen Ende des Raums neben Ricetti gestanden hatte. Sein braunes Haar war jetzt länger und tiefschwarz, er trug Designer-Jeans, und obwohl er eine Sonnenbrille aufhatte, bezweifelte Bastien nicht, dass seine Augen nicht mehr ihr natürliches Blau hatten.
“Bist du hier, um mich umzubringen?”, fragte er beiläufig, ohne sich auf seiner Liege zu bewegen. “Ein ziemlich belebter Ort, und ich möchte nicht, dass man dich fasst. Wir sind immer gut miteinander ausgekommen – warum wartest du nicht, bis ich wieder in meinem Zimmer bin oder in einer verlassenen Gasse?”
“Du bist etwas melodramatisch”, erwiderte Jensen, der sich auf die Liege neben ihm setzte. Es gab keine Anzeichen, dass er eine Waffe bei sich hatte, doch Bastien ließ sich nicht täuschen. Kein Agent würde unbewaffnet auf die Straße gehen. Dafür gab es zu viele unbekannte und verborgene Feinde. “Wenn ich dich hätte töten wollen, hätte ich es schon in Paris getan, als Thomason es mir befahl, anstatt dich entkommen zu lassen.”
Bastien lächelte leicht. “Ich dachte mir, dass du den Auftrag bekämst. Was hat dich umgestimmt?”
“Thomason ist ein Arschloch. Er wird nicht immer da oben sein, und du bist zu wertvoll, um dich einfach so zu beseitigen.”
“Sorry, Jensen. Ich stehe nicht länger zur Verfügung. Also mach ruhig und leg mich um.”
Jensen schüttelte den Kopf. “Ich töte nur, wenn ich dafür bezahlt werde”, erwiderte er. “Willst du nicht wissen, warum ich hier bin?”
“Wenn du nicht den Auftrag hast, mich umzubringen, nehme ich an, du sollst mich zur Rückkehr überreden. Doch du vergeudest deine Zeit. Sag Thomason, dass er mich mal kann.”
“Thomason weiß gar nicht, dass ich hier bin, und es dürfte ihm kaum gefallen.”
Bastien schob die Sonnenbrille hoch, um seinen Kollegen anzuschauen. “Wer hat dich dann
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