Tod Live
nicht, daß du so einfach eine neue Stellung findest. Für das alles brauchst du Geld. Viel Geld. Und schließlich ist da das Problem einer anderen Frau…«
Er begehrte nicht oft gegen sie auf. Er glaubte selbst, daß sie die Hosen anhatte, und war es zufrieden, sich insgeheim darüber zu ärgern und nichts dagegen zu unternehmen. Er hielt das für Selbstbeherrschung – was nicht stimmte – und gewann daraus ein Gefühl der Überlegenheit. Ab und zu jedoch war die Erniedrigung sogar für ihn zu groß. Er sagte:
»Was mit dir nicht stimmt, ist die Tatsache, daß du nicht an die Dinge zu denken wagst, die wirklich wichtig sind. Statt dessen stopfst du dir den Kopf voll mit Geld und schlechten Witzen, überlegst, was aus mir werden soll und wen du haßt und wen nicht, und wie du die Reporter hereinlegen willst, und… Jedenfalls nicht das, worauf es wirklich ankommt.« Er bewegte die Arme. »Du wirst bald sterben, Kate. Du wirst immer kränker werden und schließlich sterben. Daran solltest du denken. Hack also nicht auf mir herum, Kate. Es gibt Wichtigeres zu tun.«
Er schwieg. Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte, doch er hatte sich in der Länge seiner Rede verschätzt. Auf halbem Wege traf er noch ins Ziel: Vier Sätze später hatte sie die mahnenden Worte in seine bleiche Nacktheit gehüllt, dort wo sie beim Sprechen schwabbelte. Wenn er sich weiter so aufregt, dachte sie, fällt ihm noch das Handtuch herunter.
Sie rückte energisch die Papiere im Schoß zurecht. Seinen würdelosen Ausbruch überging man am besten. »Paß mal auf«, fuhr sie fort, »wenn wir heute sowieso nicht zur Arbeit gehen, machen wir einen Ausflug! Wir verschwinden aus der Wohnung. Wenn uns jemand belästigen will, haben wir das Abzeichen. Sehen wir uns das Schloß an. Seltsam, daß man nie die Sehenswürdigkeiten der Stadt besucht, in der man wohnt.«
Sie stand auf, blendete ihn mit ihrem Lächeln und verließ das Zimmer, wobei sie die Briefe und Broschüren mitnahm… Vielleicht war dennoch eine Reaktion, eine Erklärung angebracht. »Du wirst dich besser fühlen, wenn du angezogen bist«, sagte sie über die Schulter, ging ins Wohnzimmer und verstaute die Papiere sorgfältig im Tisch.
Ich traf pünktlich in der Klinik ein, gesättigt von meinem Transportmotelfrühstück und voller Frühling und der altmodischen Freude darüber. Die MEN warteten bereits auf mich. Die Mikro-Elektro-Neurologen. Ihre weißen Plastikhüllen wurden Kleidung genannt, ihre hörbare Verständigung galt als Sprache. Es waren drei: photo-sensitiv, audio-verbunden, taktil-orientiert, mit klickenden Prüfern und fehlerfrei laufenden Programmen – so umschwänzelten sie ihn und verbanden sich mit dem Mechanismus, der zur Nachprüfung zurückgekehrt war.
Ich.
Oder die Teile meines Körpers, die sie interessierten.
Welche, an jenem befreiten Frühling-im-Blut-Vormittag, gar nicht so zahlreich waren.
Sie starrten mich an. »Versuchen Sie nicht zu blinzeln«, sagten sie und blickten durch blinkende Nadeln. Also versuchte ich nicht zu blinzeln und dachte an Reichtum und Ruhm und Vincent und Katherine Mortenhoe. Und an Tracey, die warten würde, bis all dies auf wundersame Weise überwunden war. Bis ich mich wundersam zurückgekauft hatte.
»Verfolgen Sie den Lichtpunkt«, sagten sie. »Sehen Sie den Bleistift an. Schauen Sie auf das Rot und dann auf das Grün. Sehen Sie sich diesen Film an. Sehen Sie sich auch diesen Film an. Jetzt warten Sie auf die Injektion. Jetzt wieder auf den Lichtpunkt schauen. Sehen Sie sich den Bleistift an. Achten Sie auf das Rot und dann auf das Grün. Sehen Sie sich diesen Film an. Warten Sie auf das EEG.«
Einmal fragten sie versehentlich: »Tut das weh?«, was ich mit »Ja« beantwortete, weil es wirklich weh tat. Und ich dachte an Tracey.
Sie rieben sich schließlich die sensitiven multidimensionalen Manipulatoren, simulierten Freude und sagten mir, die Funktion der Implantation entspreche den Erwartungen. Dem widersprach ich nicht. Die Funktion der Implantation hatte den Erwartungen entsprochen, seit die Binden abgenommen worden waren. Und dazu noch in herrlichen Farben. Sie summten und surrten und sagten, sie hätten jetzt nur noch Zweifel hinsichtlich der Wirkung auf die Nervenenden in der Netzhaut. – In meiner Netzhaut. -Krasse Dunkelheit verursache eine Stromkreisüberlastung. Eine Stromkreisüberlastung führe mit der Zeit zum Durchbrennen. Und ein Durchbrennen – wie hübsch ausgedrückt! – verursache eine
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