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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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»Wir reden später darüber. Sie holen sich noch den Tod, wenn Sie lange hier mit nackten Füßen auf den kalten Steinen stehen. Ganz zu schweigen davon, was gewisse Leute mit Ihren Schuhen anstellen.«
    Und sah ihr nach, wie sie den Gang entlangpatschte und ins Bett stieg und sich mitsamt Motorradbrille und Südwester unter die Decke schob… Ich war draußen gewesen, um mit Vincent zu sprechen. Da er so früh bestimmt noch nicht im Kontrollraum war, rief ich in seiner Wohnung an und kämpfte den Auftragsdienst nieder, und er sagte mir, alles laufe bestens. Man hatte ihn mitten in der Nacht ins Studio gerufen, damit er sich die Szene ansehe – und es war alles dran, Atmosphäre, Drama, Pathos, alles. Aber – und dieses Aber durfte natürlich nicht fehlen – leider hatte das Licht für eine eindeutige Identifizierung nicht ausgereicht. Die Zuschauer wollten so etwas, ob ich mich also damit beeilen könnte?
    »Was du wirklich willst«, sagte ich, »ist eine Nahaufnahme der berühmten Narbe auf ihrer berühmten rechten Brust.«
    »Nimm’s nicht tragisch, alter Knabe.« Als ob ich dazu neigte. »Denk dran – auf lange Sicht erweisen wir ihr einen Gefallen. Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.«
    Natürlich hatte er recht – obwohl sie es uns niemals danken würde. Wir legten sie fürchterlich herein und taten ihr damit einen Gefallen. Die Alternative: ein Gerichtsbeschluß und Filmarbeit unter Polizeischutz, hätte den Zuschauern nämlich nicht minder gefallen. Ich beruhigte also mein Gewissen, wünschte Vincent schöne Träume und legte mir auf dem Rückweg zur Kirche den alten Ehrlichkeit-unter-Freunden- Spruch zurecht. Schließlich, so überlegte ich, konnte ich ihr durchaus mit einer Hand behilflich sein, während ich sie mit der anderen schmerzlos von hinten erdolchte. Haha.
    Das Frühstück war eine gute Sache – Reihen hineinschaufelnder Menschen, die Pemberton mit entschieden heiliger Demut bediente. Vincent würde ihn mögen, ihm gefiel bestimmt die ganze Szene. Ich wäre gern geblieben, um noch weitere Aufnahmen zu machen, doch Katherine war unruhig und wollte so schnell wie möglich weiter. Ich konnte ihr kaum sagen, daß sie hier so sicher war wie sonstwo.
    Vor der Kirche blieben wir einen Augenblick stehen. Ich spürte, daß sie trotz des Gesprächs, das wir im Lärm unserer schnaufenden Genossen geführt hatten, noch immer mißtrauisch war.
    Da ich annahm, daß mich ein Griff ins Volle glaubwürdiger machen konnte, fragte ich: »Laufen wir? Oder nehmen wir Ihr Geld?«
    »Ich habe keins.«
    »Reden Sie doch keinen Unsinn. In den Zeitungen war von dreihunderttausend die Rede.«
    »Das war für Harry. Ich habe noch dreiundsiebzig Pence.«
    Was wohl von einer Art Integrität zeugte. »Dann sollten wir zur Obdachlosen-Wohlfahrt gehen.«
    Sie dachte darüber nach. »Es ist Sonntag vormittag«, sagte sie.
    »Sieben Tage in der Woche, vierundzwanzig Stunden am Tag geöffnet.«
    »Die Leute werden doch alle möglichen Fragen stellen. Und Sie wissen, daß ich keine Fragen hören will.«
    »Wenn Sie die Stadt verlassen, ist das Amt nicht neugierig.« Es überraschte mich, daß sie sich nicht besser informiert hatte. Ihre Tüchtigkeit hatte seltsame Lücken. »Durchreisenden wird auf Verlangen Geld ausgehändigt. Erst wenn man zurückkommt, wird es schwierig.«
    Sie nahm den Schlafsack. »Ich habe noch viel zu lernen«, sagte sie. »Und nicht viel Zeit zum Lernen.«
    Sie schrieb ihre eigenen Abgangssprüche, dieses Mädchen.
    Unfotogen schlenderten wir zum Wohlfahrtsbüro, stellten uns an, ließen unsere Fingerabdrücke überprüfen und erhielten je zehn Pfund. Sie hätte sich fast gesperrt, als es um die Fingerabdrücke ging, doch ich schüttelte beruhigend den Kopf, und sie vertraute mir. Ich erklärte ihr hinterher, daß die Wohlfahrtscomputer dank der Bürgerrechtler mit dem National-Daten-Speicher nichts zu tun hätten… Das war natürlich eine Lüge. Hätte Vincent eine allgemeine Fahndung angeordnet, dann hätten ihre Abdrücke in allen Polizeistationen der Stadt ein Feuerwerk ausgelöst. Aber sie glaubte mir. Es entging mir nicht, daß sie mir glaubte. Ich mußte eine sehr vertrauenswürdige Sorte Mensch sein.
    Das Bargeld munterte sie auf.
    »Wohin jetzt?« fragte sie und lachte fast bei all der Aufregung.
    Ich stellte mich auf ihre Stimmung ein und machte eine umfassende Handbewegung. »Alle Straßen führen aus der Stadt.«
    Also warfen wir eine Münze, was ihr sehr gefiel, und nahmen einen

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