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Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi

Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi

Titel: Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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übernommen, und weil inzwischen die Landwirtschaft kaum noch kostendeckend zu bewältigen war, hatten sie den Hof zu Ferienwohnungen umgebaut. Mit Touristen war mehr Geld zu verdienen als mit Kühen, hatte Ubbo damals festgestellt.
    Natürlich hatte er einen Großteil der Umbauarbeiten in Eigenregie durchgeführt, schließlich war er technisch begabt. Und Geld hatten sie auch nicht zu verschenken, also hatte er es vermieden, viel für Handwerker auszugeben, die in der Regel nur Ärger machten, wie er fand.
    Damals hatten sie durch einen befreundeten Gastwirt erfahren, dass die Strandkneipe Möwennest verkauft werden sollte. Der Freund wollte sich aus dem Geschäft zurückziehen und suchte nun einen Käufer. Er hatte den Harmsens das Bistro zu einem Vorzugspreis überlassen. Und das Möwennest war eine Goldgrube, denn bei gutem Wetter kehrten die Urlauber in Scharen in die kleine Gaststätte am Rand des Holmer Siels ein. An manchen Tagen kam sogar der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein ins Möwennest , um hier eine Tote Tante zu trinken. Er war hier geboren und bewohnte ein Ferienhaus auf Nordstrand.
    Dennoch hatte Bente Harmsen die Übernahme des Bistros insgeheim schon mehrmals bereut. Der Laden war eine zusätzliche Belastung. Eigentlich war das Möwennest Ubbos Part; während sie die Ferienwohnungen im Hof der Schwiegereltern bewirtschaftete, kümmerte er sich um die Gaststätte. So hatten sie es zumindest vereinbart damals. Diese Kneipe auf Nordstrand war eine neue Chance für ihn, nachdem er die Arbeit in Husum verloren hatte – der Betrieb hatte dichtgemacht wegen der Finanzkrise. Und mit dreiundvierzig Jahren war es nicht leicht, einen neuen Job zu bekommen. So hatten sich die Harmsens erhofft, durch die Ferienwohnungen und das Möwennest ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.
    Doch leider erfüllte Bentes Mann seinen Part nicht. Er trank zu viel, schlief morgens zu lange und schaffte es erst in den Nachmittagsstunden, im Bistro aufzukreuzen. Bis dahin kümmerte sich Bente mit zwei Angestellten um das Möwennest und um die Ferienwohnungen. Ihr wuchs die Arbeit über den Kopf. Heute reisten zwei Familien an, die saubere Ferienwohnungen vorzufinden wünschten, doch augenblicklich sah es danach aus, als würde sie wieder bis mittags im Möwennest festhängen. Und das alles nur, weil Ubbo seinen Rausch ausschlief. Wie immer hatte er noch im Bett gelegen, als sie das Haus verlassen hatte. Sie hatte ihn zur Rede stellen wollen. Doch er hatte sie ausgelacht, im Bett einen fahren lassen und ihr demonstrativ den Rücken zugewandt, bevor er wieder eingeschlafen war.
    So ging es einfach nicht weiter.
    Bente Harmsen trat das Gaspedal tiefer durch. Der altersschwache Diesel dröhnte unter der Haube auf. Seit Tagen schon machte er seltsame Geräusche. Obwohl sie Ubbo darum gebeten hatte, sich den kleinen Lieferwagen einmal anzusehen, war natürlich nichts passiert. Und nun hoffte sie, dass ihr Auto sie nicht im Stich ließ. Eine Panne konnte sie weder zeitlich noch finanziell verkraften.
    Bente warf einen Blick in den Innenspiegel. Das Make-up vermochte die dunklen Ringe unter den Augen kaum zu kaschieren. Bente achtete dennoch auf ein gepflegtes Äußeres. Sie sah eine typisch friesische Frau im Spiegel: blond, blaue Augen, etwas blasser Teint. Alt war sie geworden, obwohl sie die vierzig erst im letzten Jahr überschritten hatte. Die viele Arbeit ging nicht spurlos an ihr vorüber, und auch der ständige Ärger mit Ubbo hinterließ seine Spuren. Erste Falten um Augen und Mundwinkel gruben sich in die ansonsten makellose Haut. Kein Wunder, dass Ubbo sie kaum noch beachtete, dachte sie seufzend, als sie den Blick wieder nach vorn auf die Straße richtete.
    Ein starker Westwind blies ins Landesinnere und zerrte an der kantigen Karosserie des Lieferwagens. Bente umklammerte das Lenkrad fester, um nicht von der Landstraße abzukommen. Nachdem sie den Aussichtspunkt am Deich passiert hatte, folgte eine langgezogene Rechtskurve. Dann tauchte das Möwennest vor dem Wagen auf. Sie drosselte das Tempo, als sie auf den unbefestigten Parkplatz abbog, und parkte hinter dem kleinen Backsteinbau. Nachdem der Motor mit einem letzten Schütteln erstorben war, umfing sie Stille. Nur der Wind pfiff um die rostige Karosserie.
    Bente stieß die Fahrertür auf und angelte nach dem Korb, den sie im Fußraum vor dem Beifahrersitz deponiert hatte. Darin befanden sich die Einkäufe für das Café. Brötchen, Konserven und einige

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