Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
Tonfall gesprochen, dem Petersen einfach nicht widerstehen konnte. »Du machst mich fertig, aber gut, ich bin dabei.«
»Danke, Jan. Ich melde mich also später. Du bist echt in Ordnung!« Damit legte sie auf.
Petersen blickte auf das Telefon in seiner Hand und schüttelte den Kopf. »Find ich auch«, murmelte er, dann widmete er sich seinem Kaffee. Der Tag konnte, nein, der Tag musste kommen.
Als sie den Wagen durch die Großstraße lenkte, hallte der Glockenschlag der Marienkirche über den Markt. Am Brunnen der Tine hockten ein paar Teenager und unterhielten sich. Touristen schlenderten über den Platz und fotografierten die bunten Giebel der umliegenden Häuser. Die letzten Marktbeschicker packten ihre Sachen zusammen. Nach achtzehn Uhr war nichts mehr los, von den gemütlichen Kneipen und Restaurants der »grauen Stadt am Meer« einmal abgesehen.
Hinter ihr lag ein Routinetag in der Polizeiinspektion: Ein Fahrraddieb in Simonberg, der sich als Fahrradleiher entpuppt hatte: Ein älterer Herr hatte sich auf sein Rad gesetzt, um damit zum Arzt zu fahren. Dort angekommen, stellte er erschrocken fest, dass er wohl das des Nachbarn genommen hatte. Peinlich berührt übergab er das Hollandrad dem rechtmäßigen Besitzer, noch bevor Wiebke in Simonsberg angekommen war. Beim zweiten Fall handelte es sich um einen Einbruchdiebstahl in einem Ferienhaus in Osterhever. Das liebevoll eingerichtete Haus stand schon seit Wochen leer, und das hatten sich die Diebe zunutze gemacht: Sie hatten die HiFi-Anlage, den Fernseher und einige elektronische Kleingeräte mitgehen lassen. Die Besitzer hatten Anzeige gegen Unbekannt erstattet und die Ermittlungen liefen.
In Gedanken war Wiebke immer noch mit dem Mordfall beschäftigt, nur durfte sie den Kollegen in der Polizeiinspektion davon nichts sagen. Petersen war der Einzige, den sie einweihen konnte, weil sie ihn gut genug kannte, um zu wissen, dass er über das Vorgehen der höheren Behörden genauso dachte wie sie.
Nach Geschäftsschluss war es nicht schwer, einen freien Parkplatz am Straßenrand zu finden. Wiebke blickte hinüber zum Ratskeller , der soeben seine Pforten geöffnet hatte. Ein Kellner kritzelte mit Kreide das Angebot des Tages auf eine Schiefertafel neben der Treppe, die in das gewölbeartige Restaurant unter dem historischen Rathaus führte. Sie dachte an die Zeit mit Tiedje. Sie hatten oft bei Kerzenschein im Ratskeller gesessen und herrliche Steaks genossen.
Wiebke wischte die Erinnerung fort und versuchte sich auf das bevorstehende Gespräch zu konzentrieren. Schnell erreichte sie durch die Krämerstraße den Platz am Binnenhafen. Von Petersen hatte sie einen heißen Tipp bekommen: Bente und Robert Michels sollten sich hier im Hotel Goldener Anker getroffen haben. Hier hatte sie mit ihm Schluss gemacht, das hatte sie in einem Verhör zu Protokoll gegeben.
Wiebke suchte sich einen freien Tisch mit Blick auf den Binnenhafen. Rechts lag die Nordertor und wartete auf Gäste. Wiebke fragte die Kellnerin, die an ihren Tisch trat, ob sie am betreffenden Tag ebenfalls Dienst gehabt hatte. Hatte sie nicht, doch sie holte ihre junge Kollegin Linda. Wiebke bedankte sich und bestellte ein Mineralwasser. Während sie den Blick auf den Hafen genoss, dachte sie darüber nach, was sich hier zugetragen hatte. Nein, sie konnte sich nicht vorstellen, dass Bente ihren Exfreund getötet hatte – begründen konnte sie ihr Gefühl allerdings nicht.
Das Mineralwasser kam; Linda brachte es ihr. Die Kellnerin war jung und zierlich, mit hübschen, schulterlangen dunklen Haaren. »Sie hatten eine Frage?«
»Ja.« Wiebke zeigte Linda ihren Dienstausweis. »Kripo Husum, es geht um ein Tötungsdelikt.«
Lindas hübsches Gesicht wurde schlagartig blass.
»Keine Angst«, sagte Wiebke schnell. »Ich möchte nur von Ihnen wissen, ob Sie diesen Mann hier kennen.« Sie legte ein Foto von Robert Michels auf den Tisch.
Linda warf einen Blick darauf, dachte angestrengt nach, dann nickte sie. »Ja, aber er war nicht lange hier. Das heißt, er war vor seiner Frau hier. Bestellte einen Wein und wartete auf sie. Als sie dann kam, führten sie eine kurze, aber offenbar heftige Diskussion. Ich habe nicht gehört, worüber sie gesprochen haben, aber es ging schnell. Sie verschwand schon nach wenigen Minuten wieder, er zahlte und gab reichlich Trinkgeld, dann war auch er verschwunden.« Linda beruhigte sich langsam.
»Was hatten Sie für einen Eindruck von dem Gespräch?« Wiebke spürte,
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