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Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi

Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi

Titel: Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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um einen Kaffee aufzusetzen. Aus dem Radio erklang leise Musik, und sie genoss den Duft des Kaffeepulvers. Der Regen trommelte gegen das Dachfenster. Am liebsten hätte sie sich ins Bett zurückgezogen und die Decke bis zur Nasenspitze gezogen, um dort dem Regen zu lauschen, der jetzt in dicken Bahnen am Glas herunterrann.
    Wiebke überlegte, ob sie Dierks in der Polizeiinspektion anrufen und sich für den heutigen Tag Urlaub nehmen sollte. Für ihren Vorgesetzten war der Fall erledigt und er duldete sicherlich keinen Widerspruch, nachdem sich der Staatsanwalt in die Sache eingeschaltet hatte. Während sie gedankenverloren am Küchenfenster stand, strich Garfield um ihre Beine und maunzte sie vorwurfsvoll an.
    »Verfressenes Vieh«, seufzte Wiebke und stellte den Kaffeepott auf die Arbeitsplatte, um dem Kater sein Fressen in seine Schüssel zu geben. Erst als der Kater futterte, bereitete sie sich selber eine Schüssel mit Cornflakes und frischer Milch zu. Während sie frühstückte, fiel ihr Blick auf die kopierten Unterlagen. Lustlos blätterte sie in den Papieren und stieß schließlich auf eine Liste aller gemeldeten Opfer. Wahrscheinlich lag die Dunkelziffer höher, denn Wiebke wusste, dass sich viele misshandelte Frauen aus Scham nicht bei der Polizei meldeten.
    Die Schrift der alten Aufzeichnungen verschwamm vor Wiebkes Augen. Warum war sie nicht früher darauf gekommen, dass es sich bei dem Mord an Robert Michels um einen Racheakt handeln könnte? War es so abwegig, dass eine Frau, die Michels zum Opfer gefallen war, selber zur Täterin wurde? Wiebke versuchte sich in die vergewaltigten Frauen hineinzuversetzen. Wie würde sie reagieren? Wäre sie in der Lage, einen Mord zu begehen? Wiebke dachte lange darüber nach, löffelte lustlos ihre Cornflakes und kam zu dem Schluss, nicht zu wissen, wozu sie in einer solchen Situation in der Lage wäre. Sie musste sich unbedingt jemandem mitteilen, eine zweite Meinung hören. Sie legte den Löffel an den Rand des Tellers und sah dabei zu, wie er langsam in der Milch versank. Dann sprang sie auf und griff zum Telefon.
     
    Das dumpfe Vibrieren des Handys weckte ihn. Wie eine wütende Hummel surrte das Telefon vom Vibrationsalarm angetrieben über den Tisch. Es dauerte einen Moment, bis er wusste, dass er mal wieder auf dem Sofa eingeschlafen war. Er spürte den pelzigen Geschmack auf der Zunge und schluckte trocken. Blinzelnd richtete er sich auf. Der Fernseher lief ohne Ton. Im Frühstücksfernsehen testete ein glatzköpfiger Typ Imbissbuden, die Petersen wohl niemals zu Gesicht bekommen würde. Murrend griff er zur Fernbedienung, die auf dem Tisch mit den klebrigen Abdrücken der Bierflaschen lag, die er gestern ausgetrunken hatte, und schaltete um. Nach einer kleinen Ewigkeit langte er nach dem Handy. Das nervige Teil lag am anderen Ende des Tisches und drohte, von der Kante auf den Boden zu stürzen. Sekundenlang überlegte er abzuwarten, bis es heruntergefallen war. Mit etwas Glück zerlegte es sich bei dem Sturz in seine Einzelteile, und der Terror am Morgen hatte ein Ende. Doch schließlich überwog sein Pflichtbewusstsein. Er rappelte sich auf und griff nach dem Telefon.
    »Petersen!?« Er unterdrückte ein Gähnen. Nach drei Flaschen Bier war er gestern auf dem Sofa eingeschlafen. Das rächte sich nun: Er konnte sich kaum rühren und spürte seinen Rücken nicht mehr. Früher hatte seine Frau ihn geweckt, wenn er vor dem Fernseher eingeschlafen war. Jetzt lief das verdammte Frühstücksfernsehen, und niemanden hatte es interessiert, dass er die Nacht in verrenkter Haltung auf dem unbequemen Sofa verbracht hatte. Petersen trat ans Fenster und zog die karierten Vorhänge auf. Es regnete, und die Reifen der vorbeifahrenden Autos erzeugten ein monotones Surren. Der Regen rann in dichten Bahnen an den Scheiben herunter. Fröstelnd wandte er sich ab und war froh, heute nicht aus dem Haus zu müssen.
    »Ich bin es, Wiebke.« Sie klang aufgeregt.
    »Halt, halt, langsam, Mädchen.« Nun gähnte er doch ungeniert in den Hörer. »Ich habe bei Dierks Urlaub angemeldet. Ich bin zu Hause und ich bin nicht wirklich fit. Also schon mich bitte.«
    »Darauf kann ich leider keine Rücksicht nehmen«, entgegnete Wiebke und berichtete ihm, was sich gestern Abend ereignet hatte. Im Gegensatz zu anderen Männern war Jan Petersen multitaskingfähig und klemmte sich das Handy zwischen Ohr und Schultern. In krummer Haltung begab er sich in die kleine Küche, in der es aussah, als

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