Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
wäre eine Bombe explodiert. Der Mülleimer quoll über und in der einfachen Nirosta-Spüle aus den späten Siebzigern stapelte sich der Abwasch. Zeit für einen Haushaltstag, dachte er, während er Wiebkes Ausführungen lauschte und sich einen starken Kaffee braute. Dazu nahm er die Tasse mit dem handgemalten Motiv des Eiderstedter Leuchtturms aus dem Schrank und schob sie auf das Gitter der Maschine.
»Das ist ja ein dicker Hund«, staunte er, als Wiebke ihm von Kai Berger und seiner Mission berichtet hatte. Er setzte einhändig die Kaffeepad-Maschine in Gang, das einzige moderne Gerät in seiner bescheiden eingerichteten Küche. Die Kollegen hatten ihm das Ding im letzten Jahr zum Geburtstag geschenkt. »Da wundert mich nichts mehr. Dierks und Mahndorf haben schnell alles abgegeben, um sich an der Sache nicht noch die Finger zu verbrennen. Die Sache mit dem Obduktionsbericht von Ubbo Harmsens Leiche ist tatsächlich ein Hammer. Es geht also doch schneller, wenn man nur an den richtigen Stellen sitzt.« Er schnaubte wütend, bevor er fortfuhr. »Wir müssen sehen, dass wir Bente Harmsen aus der Haft bekommen, aber offen gestanden habe ich keine wirkliche Idee, denn auch wenn Ubbo sich selbst umgebracht hat: Somit bleibt nur Bente Harmsen als Mörderin von Klaus Georgs beziehungsweise Robert Michels übrig.«
»Wie kommst du jetzt darauf?«
»Anfangs habe ich die Theorie nicht so toll gefunden – schlag mich tot, vielleicht habe ich einfach gehofft, dass sie es nicht war.« Petersen zuckte die Schultern. »Nun, sie hat sich von ihm getrennt, er konnte oder wollte die Trennung nicht akzeptieren und stellte ihr nach. Wir hätten es also mit einem Stalker zu tun gehabt, hätte Bente Harmsen den Fall angezeigt. Hat sie aber nicht. Die Folge: Bente Harmsen fühlte sich von ihm in die Enge getrieben und sah nur eine Möglichkeit – seinen Tod. Also hat sie wieder Kontakt zu ihm aufgenommen und ihn zu einer Aussprache im Bistro gebeten. Er hat sich, wahrscheinlich blind vor Liebe, auf den Weg gemacht und ist sozusagen ins offene Messer gelaufen.« Schnurrend nahm die Maschine den Dienst auf. In der kleinen Küche breitete sich wundervoller Kaffeeduft aus. Petersen nahm die Tasse aus der Vorrichtung und pustete in den Kaffee. Langsam kehrten die Lebensgeister zu ihm zurück.
»Es passt irgendwie nicht, dass ein brutaler Sexualstraftäter sich bis über beide Ohren verliebt und daran fast zugrunde geht, wenn die Frau ihm einen Korb gibt. Würde er da nicht völlig ausrasten und sich nehmen, was er haben möchte?«
»Das ist nicht unbedingt nötig. Viele Sexualstraftäter führen ein Doppelleben. Sie sind liebevolle Söhne, Ehemänner und Väter. Ihr gesellschaftliches und familiäres Umfeld ahnt nicht, zu welchen Taten diese Männer imstande sind. Insofern würde es auch zu Robert Michels passen, einerseits den enttäuschten und verletzlichen Liebhaber zu geben, andererseits ein brutaler Serienvergewaltiger zu sein.« Petersen schlürfte von seinem Kaffee. »Aber offen gestanden ist es nicht unser Part, das herauszufinden. Das ist ein Fall für Polizeipsychologen und Fall-Analytiker. Du kannst es drehen und wenden wie du willst, Wiebke: Wir sind aus der Nummer raus. Find dich damit ab.«
»Das sehe ich anders.« Sie klang trotzig und energisch.
»Mädchen, ich will nicht, dass du Schwierigkeiten kriegst, also bitte halt dich an die Regeln!«
»Hilfst du mir?«
Petersen glaubte sich verhört zu haben. »Hilfst du mir – wobei?«
»Ich möchte immer noch den Mörder von Robert Michels finden.«
Petersen marschierte mit Kaffeepott in der Hand und Telefon am Ohr durch die unaufgeräumte Wohnung. »Du musst in einer knappen Stunde im Büro sein«, erinnerte er sie.
Den Einwand ließ Wiebke nicht gelten. »Ich werde mich krankmelden.«
Petersen hatte das Wohnzimmer erreicht. Er stellte die Tasse auf dem Tisch ab und angelte nach der Fernbedienung, um die Flimmerkiste abzuschalten. Dann sank er auf das Sofa. Schon wieder das Sofa, dachte er, während er die Wolldecke mit den Füßen wegschob. »Du kannst dich nicht krankmelden. Dierks ist nicht doof, und wenn wir beide nicht da sind, nachdem wir den Fall abgenommen bekommen haben, wird er eins und eins zusammenzählen, und wir haben ’ne ganze Menge Ärger am Hals.«
»Ich werde arbeiten gehen«, murmelte Wiebke nach einer kleinen Pause. Sie klang zerknirscht. »Schreibtischarbeit eben. Aber sobald ich Feierabend habe, geht es weiter, okay?«
Sie hatte in einem
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