Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
schmunzelte. Und immerhin auch eine Frau, wie sie es sei. Den Rest hätte er wohl finanziert.
Emilio schmunzelte. Den Rest? Von Ihnen?
Valerie lachte. Nein, sie sei nicht auf Kredit zu haben. Sie meine natürlich das Weingut. Außerdem hätten sie ihre private Beziehung einige Monate vor seinem Tod beendet. Sie hätten aber trotzdem weiter zusammengearbeitet. Ohne Probleme.
Emilio fragte, ob sich Niki bei irgendeinem konkreten Weingut besondere Chancen ausgerechnet habe.
Valerie leckte das Sorbet so lasziv vom Löffel, dass es Emilio abwechselnd heiß und kalt wurde. Außerdem beugte sie sich dabei wieder aufreizend weit nach vorne. Immerhin funktionierte sein Hormonsystem, das war beruhigend.
Ja, bestätigte Valerie, ein solches Weingut habe es gegeben. Niki habe sogar schon Pläne für den Umbau gezeichnet. Und er habe mal davon gesprochen, dass er unter der Hand bereits eine Anzahlung geleistet hätte.
Jetzt fuhr sich Valerie mit der Zunge über die Lippen. Die Frau machte ihn noch verrückt.
Warum der Winzer sein Weingut habe verkaufen wollen, fragte Emilio. Sie habe doch gerade erklärt, dass sich keiner von seinen Weinbergen trennen würde.
In diesem Fall schon, sagte sie. Das wäre ja womöglich die einmalige Chance gewesen. Der Weinbauer sei schon älter gewesen, habe keinen Sohn gehabt, der den Betrieb hätte übernehmen können. Nur eine Tochter, der er das nicht zugetraut habe. Seine Frau hatte Asthma und wollte ans Meer. Deshalb spielte er mit dem Gedanken, zu verkaufen.
Emilio sah Valerie starr an. Nur eine Tochter, der er das nicht zugetraut habe? Obwohl sich die Frage fast erübrigte, stellte er sie dennoch. Die Antwort konnte ihn nicht mehr überraschen. Es war Phinas Vater gewesen, der sich mit der Absicht getragen hatte, sein Weingut an Niki zu verkaufen. Vielleicht wäre es dazu gekommen. Phina wäre leer ausgegangen. Aber dann stürzte Niki vom Berg in den Tod. Gerade zum richtigen Zeitpunkt. Und einige Jahre später kam ihr Vater im Weinberg ums Leben. Emilios Magen verkrampfte sich. Die Reaktion kam nicht vom Sorbet.
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Unter der Kunststoffschiene am Arm juckte es, auch hatte er häufig Kopfweh, trotz der schmerzstillenden Medikamente, er hatte Probleme beim Atmen – aber davon abgesehen ging es Ernst Steixner nicht so schlecht. Die Ärzte machten sich Sorgen um seine Lungenfunktion, einige Rippen waren gebrochen. Deshalb durfte er nicht nach Hause. Letztlich war ihm das egal. Wahrscheinlich war es sogar besser so. Hier wurde für ihn gesorgt, er war für den Erpresser nicht erreichbar, er konnte nicht in Versuchung geführt werden, die Dokumente im Umschlag zu studieren, die alten Zeitungsausschnitte und die Fotos, die ihn belasteten. Er lief nicht Gefahr, sich auf ein Bahngleis zu stellen und auf den nächsten Zug zu warten. Im letzten Augenblick erst hatte er sich zur Seite geworfen.
Hier im Krankenhaus konnte er in Ruhe nachdenken. Über sein Leben, das ihm viele schöne und glückliche Augenblicke beschert hatte, aber auch einige schlimme Momente und Tragödien.
Seit dem Tod seiner Frau hatte er keinen wirklichen Antrieb mehr, konnte keine echte Freude mehr empfinden, hielt sich viel in seinem Haus auf, hörte klassische Musik und pflegte seine Depressionen. Begab er sich unter Menschen, konnte er sein Stimmungstief überspielen, wirkte auf andere fast normal, er lachte sogar und nahm an den oberflächlichen Gesprächen teil. Wenn er aber alleine war, brach die schöne Fassade zusammen. Er kam sich vor wie ein janusköpfiger Mensch. Mit einem zweiten, verborgenen Gesicht, das nach hinten gerichtet war, rückwärts blickend und von großer Schwermut erfüllt. Er hatte gehofft, aus dem Loch wieder herauszufinden – dann war dieser Umschlag gekommen, der hatte ihm den Rest gegeben. Wie ein Schlag in die Magengrube, der einem die Luft zum Atmen nimmt. Wie oft hatte er von dem zwölfjährigen Mädchen geträumt, das in jener Nacht den Tod gefunden hatte? Er empfand tiefe Schuld, weil er einfach weitergefahren war. Dabei hätte er den Unfall sogar im nüchternen Zustand wohl kaum vermeiden können. Das Mädchen war plötzlich von der Seite in seinem Scheinwerferkegel aufgetaucht, war vor Schreck mitten auf der Straße stehen geblieben – seinen entsetzten Blick würde er nie vergessen. Er hatte voll gebremst, mit blockierenden Rädern hatte er gleichzeitig versucht, auszuweichen. Ein dumpfer Schlag, hektische Lenkbewegungen, um den schleudernden Wagen
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