Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
teuer war.
Emilio stellte sich vor, gab Valerie seine Visitenkarte und erklärte, was ihn hierhergeführt hatte. Mit wenigen Worten schilderte er seinen Auftrag. Auch machte er deutlich, dass er nach den vielen Jahren keine wirklich neuen Erkenntnisse erwartete. Dennoch würde er gerne mit ihr über Niki sprechen, über den Bergunfall, die Vinothek und so weiter. Sie sei ja damals bei Niki Steirowitz angestellt gewesen. Es freue ihn zu sehen, dass sie die Vinothek übernommen habe und weiterführe.
«Ganz schön viel auf einmal», sagte Valerie, die weiterhin freundlich lächelte und offenbar keine Probleme damit hatte, mit der Vergangenheit konfrontiert zu werden. «Wollen wir gleich darüber sprechen? In fünf Minuten sperre ich den Laden sowieso zu, da habe ich Mittagspause.»
«Sehr gerne», sagte Emilio. «Darf ich Sie zu einem kleinen Mittagessen einladen?» Ihm fielen die Crostini ein, die er gerade verdrückt hatte. Als vernunftbegabtes Wesen hätte er den Vorschlag mit dem Mittagessen nicht machen dürfen. Aber wer reagierte angesichts einer solchen Frau vernünftig?
Valerie nahm die Einladung ohne zu zögern an. Wenig später saßen sie unter weißen Markisen auf der kleinen Terrasse des nahegelegenen Kaiserkron, einem der besten Restaurants in Bozen, tranken Champagner und bestellten Lachstatar auf Burrata, danach Tagliata di bue nostrano cotta nel forno , Ochsentagliata vom Holzkohleofen. Immer wenn sich Valerie am Tisch nach vorne beugte, wusste Emilio nicht so recht, wohin er seinen Blick richten sollte. Ihm schien, dass bei der Bluse auf magische Weise ein weiterer Knopf abhandengekommen war. Dennoch gelang es ihm, ein einigermaßen zielorientiertes Gespräch zu führen. Darauf konnte er stolz sein. In relativ kurzer Zeit hatte er in Erfahrung gebracht, dass Valerie mit Niki ein Verhältnis gehabt hatte, dass sie über den Bergunfall auch nichts Genaueres wusste, dass sie froh war, damals die Vinothek übernehmen zu können, dass sie das Konzept auf Großflaschen umgestellt und einige Investitionen getätigt hatte. Auch hatte sich beiläufig die Information ergeben, dass Valerie ledig war und offenbar à la carte lebte.
Emilio überlegte, dass es Früchte gab, die schwer zu ernten waren, wobei er an Phina dachte. Und es gab süße Früchte, die wurden auf einem Silbertablett serviert – wobei man weder wissen konnte, ob sie wirklich zum Verzehr bestimmt waren, noch wusste man etwas über ihre Bekömmlichkeit.
Emilio sprach Nikis fixe Idee an, sich ein Weingut zu kaufen. Ob das tatsächlich der Fall gewesen sei, wollte er wissen.
Das sei sehr wohl so gewesen, sagte Valerie. Niki habe da wirklich gesponnen.
Emilio fragte, warum das eine Spinnerei gewesen sei. Ein eigenes Weingut könne doch Spaß machen und eine Rendite abwerfen.
Letzteres sei eben nicht der Fall, antwortete Valerie. Das zentrale Problem sei, dass man in Südtirol kaum einen Weinberg kaufen könne. Der Boden sei nicht nur knapp, sondern auch sündhaft teuer. Emilio erinnerte sich, Ähnliches bereits von Phina und von Puttmenger gehört zu haben. Es gebe eine große Diskrepanz zwischen dem Kaufpreis für eine Parzelle und den erzielbaren Flaschenpreisen, das würde sich nie und nimmer rentieren, wäre betriebswirtschaftlicher Unfug. Valerie nannte Zahlen und machte eine Rechnung auf, die ihre Aussage schlüssig belegte. Für Südtiroler Weine könne man nun mal nicht so viel verlangen wie für einen Grand Cru aus dem Bordeaux. Der Boden koste aber fast gleich viel. Das sei die Misere.
Emilio staunte. Die Dame hatte nicht nur ein aufregendes Äußeres, sondern war auch noch gescheit und konnte gut kopfrechnen.
Auch mache es keinen Sinn, fuhr Valerie fort, einem Weinbauern, der seine Trauben an eine Kellereigenossenschaft lieferte, sein kleines Stück Rebland abzukaufen. Damit könne man keinen Betrieb aufziehen, der seine Weine selber vermarktet. Das habe auch Niki gewusst, deshalb habe er systematisch bei den wenigen Weinbergbesitzern hingesägt, die über ausreichend große Rebflächen verfügten.
Zum Dessert bestellten sie eine Sorbetvariation mit frischen Früchten. Wo denn Niki das Geld für einen Kauf hergenommen hätte, fragte Emilio. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Vinothek so viel abwerfe.
Nein, das gewiss nicht. Aber Niki habe zuvor einige Geschäfte gemacht, über die sie auch nichts Genaueres wisse, jedenfalls seien sie sehr einträglich gewesen. Niki habe sich einen Porsche leisten können. Valerie
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